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Geneen Roth: Fühle dich selbst und iss, was du willst 

 Mai 31, 2017

In meinen frühen Dreißigern – kurz nach der Geburt meines Sohnes und der Trennung von seinem Vater – , litt ich an einer Essstörung. Genau genommen an Binge Eating Disorder. Mindestens jeden zweiten Abend stopfte ich abwechselnd packungsweise Kekse und tütenweise Kartoffelchips in mich hinein, um meine Einsamkeit, meine Überforderung und meine Erschöpfung nicht spüren zu müssen – nur um mir am nächsten Morgen voller Schuld- und Schamgefühle zu schwören, dass ich es nie wieder tun würde.

So schlimm das damals für mich war, so dankbar bin ich heute dafür. Denn mein zwanghaftes Essverhalten und die Wucht des damit verbundenen Schmerzes waren der Schlüssel, der mir die Tür zum Erwachen, zur Heilung, zur Ganzheit öffnete.

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, in dem ich meiner ersten, ungemein liebevollen Therapeutin, der ich noch heute zutiefst dankbar bin, gegenüber saß, und ihr zum wiederholten Male erzählte, wie schlimm meine Essanfälle seien, was sich dabei genau abspielte und dass ich mich dabei derartig vor mir selbst ekelte, dass ich danach kaum noch in den Spiegel zu schauen wagte.

Ich erinnere mich deshalb so genau an diesen Moment, weil meine ansonsten mit einer Engelsgeduld ausgestattete Therapeutin plötzlich ziemlich ungehalten wurde und mich in ungewohnt scharfem Ton darauf hinwies, dass sie nicht mehr gewillt sei, sich das alles anzuhören. Es wäre Zeit, endlich anzuerkennen, dass es überhaupt nicht ums Essen ging.

 

Essen kann seelischen Hunger nicht stillen.

Damals war ich empört. Und doch war es genau so: Mein Essverhalten war einfach nur ein Hinweis darauf, dass ich unter großem seelischen Hunger litt. Ich war ausgehungert nach Verbundenheit, hatte solche Sehnsucht nach dem Heimkommen zu mir selbst, und danach, mich in diesem Universum zuhause zu fühlen – aber meine unerlösten Gefühle verstellten mir den Blick darauf.

Erst als ich gelernt habe, sie zuzulassen und zu erforschen, begann ich, immer öfter meine Essenz zu berühren und tiefen Frieden zu spüren. Im Laufe der Jahre und mit der Unterstützung wunderbarer Menschen, durch Meditation und aufrichtige Selbsterforschung, durch Körperarbeit und unzählige Bücher, nach vielen Höhen und Tiefen und Meeren geweinter Tränen überwand ich meine Essstörung.

Der englische Titel von Geneen Roths Buch über das Essen und den Ausstieg aus dem ewigen Kampf gegen den eigenen Körper lautet Women Food and God: An Unexpected Path to Almost Everything. Und genau darum geht es: Unsere – oft so zwanghafte – Beziehung zum Essen eröffnet uns einen unerwarteten Weg zu allen Aspekten und Tiefen des Seins:

„‚Manche Leute sind nach Indien gegangen‘, erzähle ich meinen Teilnehmerinnen. ,Manche Leute glauben, sie bräuchten Gurus und esoterische Übungen. Aber ihr habt das Essen – und es ist euer größter Lehrer. Wenn ihr bereit seid, euch auf euch selbst einzulassen, statt vor euch davonzulaufen, und wenn ihr bereit seid, standhaft zu sein und euch nicht von der neuesten Superdiät in Versuchung führen zu lassen, habt ihr schon all das, was die, die nach Indien gehen, dort zu bekommen hoffen. Direkt vor euch auf eurem Teller, hingeklatscht in die Mitte eures Alltags, habt ihr den Weg zurück zu dem, was wahr und wirklich ist.’“

 

Wie wir essen, so sehen wir die Welt.

In unserem Essverhalten, so Geneen Roth, spiegelt sich unsere ganze Beziehung zu uns selbst, zum Universum, zum Leben und zu Gott. All unsere Glaubenssätze zeigen sich in der Art, wie unsere Gedanken ums Essen kreisen. Mit dem Kampf gegen überflüssigen Kilo, gegen zu dicke Oberschenkel oder zu viel Bauchumfang lenken wir uns von unseren Gefühlen ab. Denn allzu oft sind unsere Gefühle mit altem Schmerz verbunden, und wir haben keinen anderen Umgang damit gelernt, als uns zu betäuben, um ihn nicht spüren zu müssen.

„Gegen diesen Teil – fühlen, was sie mithilfe des Essens vermeiden wollen -, leisten die Frauen am heftigsten Widerstand. Sie wehren sich gegen ihr Gewicht, sie wehren sich gegen ihre Gefühle, und vor allem wehren sie sich gegen die Vorstellung, es sei richtig, sich nicht gegen sie zu wehren. Dagegen, dass das Heilmittel für den Schmerz im Schmerz selbst enthalten ist“, so Geneen Roth.

Genau das ist der Weg, den sie vorschlägt: Das als Heilmittel zu benutzen, wogegen wir uns am meisten wehren. Durch Meditation durchschauen wir „Die Stimme“ in unserem Kopf – sie ist einfach nur ein uraltes, sich ewig wiederholendes Muster, dem wir keinen Glauben schenken müssen, auch wenn sie uns hundertmal erzählt, dass wir unzulänglich sind oder uns mehr kasteien sollten oder mit 15 Kilo weniger auf den Hüften endlich glücklich wären. Durch liebevolle Selbsterforschung, die mit dem Hineinspüren in den Körper beginnt, können wir nach und nach herausfinden, warum unsere Beziehung zum Essen so zwanghaft ist. Diese Einsicht ist der erste und wichtigste Schritt zur Veränderung.

 

Ein Weg der Achtsamkeit.

Geneen Roths Zugang ist nicht neu – im Grunde geht es einfach um Achtsamkeit. Aber sie vermittelt ihre Botschaft mit so viel herzerfrischender Leichtigkeit, verbunden mit tiefer spiritueller Weisheit und Mitgefühl, dass man unbändige Lust bekommt, endlich aus der zwanghaften Beschäftigung mit dem Essen und den vermeintlichen körperlichen Makeln auszusteigen und sich stattdessen selbst kennenzulernen: „Die Obsessionen verschwinden, wenn es Ihnen mehr am Herzen liegt, Ihr wahres Wesen zu entdecken, als Ihrer Mutter oder Ihrem Vater gegenüber loyal zu sein. Die Obsessionen verschwinden, weil Sie sich so wichtig sind, dass Sie aufhören, sich selbst durch Essen zu schaden. Weil Sie sich so lieben, dass Sie aufhören, sich selbst wehzutun.“

In vielen ehrlichen und berührenden Geschichten erfahren wir von Frauen, die nach und nach aus ihrer Ohnmacht erwacht sind und gelernt haben, sich selbst und ihren Körper zu lieben. In diesem Geschichten kann wohl jede von uns sich ein Stück weit wiederfinden. Auch das ist ein Teil des Heilungsweges – zu wissen, dass wir nicht allein sind.

Zum Schluss schlägt Geneen Roth noch sieben Essensrichtlinien vor:

1. Essen Sie, wenn Sie Hunger haben.

2. Essen Sie im Sitzen in einer ruhigen Umgebung.

3. Essen Sie ohne Ablenkungen. Ablenkungen sind Radio, Fernsehen, Zeitungen, Bücher, intensive oder angstauslösende Unterhaltungen oder Musik.

4. Essen Sie, wonach Ihr Körper verlangt.

5. Essen Sie, bis Sie satt sind.

6. Essen Sie so, dass andere Sie sehen (könnten).

7. Essen Sie mit Freude, Genuss und Lust.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass diese Regeln zwar einfach klingen, aber durchaus nicht leicht einzuhalten sind. Aber jeder einzelne Moment, in dem wir aus unseren gewohnten Zwängen aussteigen und uns von Selbstliebe und Wahrhaftigkeit leiten lassen, zählt – und erzeugt positives Momentum!

Buchtipp:

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