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Dich selbst verlieren – ist dieser Preis nicht zu hoch? 

 Jänner 29, 2018

 
Da bin ich im Paradies gelandet und fühle mich elend. Richtig, richtig, richtig elend.

Alle hier haben lange Haare – auch die Männer. Außer die, die kahl rasiert sind. Die haben dafür einen langen Bart.

Alle hier sind schlank, braungebrannt, wunderschön und tiefenentspannt. Alle haben ein IPhone und bestimmt auch ein Macbook Air. Alle hier trinken aus nachhaltigen Glas- oder Metallflaschen. Ach ja, und natürlich sind alle tätowiert. Großflächig.

Die blondgelockten, engelsgleichen Kinder der EuropäerInnen, die sich hier im thailändischen Yoga-Resort versammelt haben, tragen entweder nur Windeln oder ökofaire, weit-geschnittene, leinenfarbene Thai-Hosen. Die Kinder der thailändischen Angestellten hingegen stecken in engen, knallbunten Shirts und Hosen aus Polyacryl.

Im Yogi-Café, das direkt am Strand liegt, heißen die Super-Food-Drinks Green Goddess, Manipura Zest und Mother Earth, das WLAN-Passwort lautet peaceful.

Wie gesagt: Es ist das Paradies.

Der Teufel im Paradies
Sonne, Strand und frische Kokosnuss: Was hat er Teufel im Paradies zu suchen?

 

Aber mein Teufel will nicht peaceful sein.

Der kleine Teufel, der in meinem Herzen wohnt, hat sich mit hereingeschummelt. Und er macht sich bemerkbar. In Form von Skepsis und Widerstand.

Vielleicht bin ich einfach auch zu sehr Tantrikerin, um daran glauben zu können, dass es irgendwo NUR schön ist, dass irgendjemand NUR gut ist und gesund und gelassen und ein Engel auf Erden.

Vielleicht ist es aber auch etwas anderes.

Vielleicht ist es die brennende, schwelende Sehnsucht nach Zugehörigkeit, die mir das Paradies vergällt.

Ich kenne sie gut, diese Sehnsucht. Ich kenne sie schon lange. Schon seit … immer.

 

Mich selbst verlieren –  ist dieser Preis nicht zu hoch?

Als kleines Mädchen war ich introvertiert, hochsensibel und das Gegenteil von robust. Ich wollte dazugehören, aber mir war alles zu laut, zu schnell, zu viel. Team-Sportarten machten mir Angst, und ich saß lieber lesend zuhause oder spielte mit meiner besten Freundin Prinz und Prinzessin, als mit den wilden Horden um die Häuser zu ziehen.

In meiner ersten Ehe war der Preis, den ich für Nähe, Sicherheit und Intimität zahlte, der, mich selbst zu verlieren. Später machte ich in zwei verschiedenen spirituellen Gemeinschaften die Erfahrung, dass man das Gefühl der Zugehörigkeit nicht geschenkt bekommt. Kritik und selbstständiges Denken waren dort nicht erwünscht. „Ja, du darfst dazugehören, du bekommst Sicherheit, Schutz und Geborgenheit. Aber nur, wenn du so bist wie wir, wenn du so denkst wie wir, wenn du so sprichst wie wir. Ansonsten lassen wir dich fallen“ – das war die Botschaft, die zwar niemals laut ausgesprochen wurde, jedoch unterschwellig immer spürbar war.

 

Trotzig trinke ich mein Wasser. Aus der Plastikflasche.

Hier sitze ich also auf meiner thailändischen Traum-Insel, und während ich meinen Golden Milk Shake schlürfe, werden all diese bitteren Erfahrungen hochgespült. Eigentlich sind die Menschen hier wunderbar offen, freundlich und nett. Niemand kommt auf die Idee, mich zu verurteilen oder auszustoßen. Eigentlich ist es genau das Umfeld, in dem ich mich zuhause fühlen könnte. Aber meine Haare sind kurz, meine Haut ist weiß, ich bin nicht superschlank, und mein einziges Tattoo ist winzig und schon so alt, dass man gar nicht mehr erkennen kann, was es darstellt.

Und ich bin nicht immer peaceful. Ich traue diesem perfekten Frieden nicht, suche nach dem Haken. Irgendwo muss doch einer sein! Aus Prinzip trinke ich aus einer Plastikflasche – was ich zuhause niemals tue. Der kleine Teufel in meinem Herzen kichert.

 

Ich gehöre zu mir.

Plötzlich breitet sich Ruhe in mir aus.

Denn ich liebe diesen kleinen Teufel. Ich liebe meinen Widerspruchsgeist und die Skeptikerin in mir. Ich mag es, dass ich nicht anders kann, als unter die Oberfläche und hinter die Kulissen zu blicken, und dass in mir die Alarmglocken laut klingeln, wenn es irgendwo allzu sehr nach Friede-Freude-Sternenstaub riecht.

Ich spüre deutlich: Ich gehöre zu mir.

Mir selbst fühle ich mich zugehörig. Ganz und gar.

Und mir wird warm ums Herz. Denn wenn ich ALLES, wirklich ALLES an mir annehme und ins Herz schließe. Wenn ich mich so sein lasse, wie ich bin. Dann bin ich bei mir, dann bin ich in mir zuhause, egal, wo auf der Welt ich mich gerade befinde und welche Menschen mich umgeben.

Dann kann ich hierhin und dorthin fliegen, dann kann ich anderen offen begegnen, ohne das Gefühl zu haben, so werden zu müssen wie sie. Dann kann ich aufrecht und erhobenen Hauptes durchs Leben gehen und muss mich nicht verbiegen, um irgendwo dazuzugehören.

„Schließe keine faulen Kompromisse.

Mehr als dich selbst hat Gott dir nicht geschenkt.“

Janis Joplin

 

„Frei und verbunden“ steht in meinem Ehering.

Bei meiner zweiten Heirat war ich fast 15 Jahre älter als bei meiner ersten. Die Eheringe, die mein Liebster und ich ausgesucht haben, sind sehr schlicht, und statt Namen oder Datum haben wir einen Schriftzug eingravieren lassen: Frei und verbunden.

Obwohl wir mehrere Jahre gebraucht haben, um herauszufinden, wie das wirklich geht – frei und gleichzeitig verbunden zu leben -, kann ich heute sagen: Wir haben Wege gefunden, diese beiden Beziehungsqualitäten zu vereinen. Und da wir uns beide ständig wandeln und auch unsere Partnerschaft art in progress ist, sind wir gefordert, immer wieder neue Pfade zu beschreiten, um uns diese Qualitäten zu erhalten, beziehungsweise sie neu zu definieren und mit Leben zu erfüllen.

Ich fühle mich meinem Liebsten zugehörig, gleichzeitig bin ich frei, genau die zu sein, die ich bin. Es kann natürlich sein, dass wir irgendwann nicht mehr zusammenleben werden, weil wir uns in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln. Aber ich bin fast sicher – und es ist mein großer, großer Wunsch -, dass unsere Verbundenheit auch dann bestehen bleibt.

 

Überall zuhause

Wenn ich ganz mir und ganz zu mir gehöre, kann ich überall zuhause sein, wo ich mich wohlfühle. Dann spricht auch nichts dagegen, mich auch mal einzugliedern oder anzupassen. Aber ich muss mich nicht verbiegen oder selbst verleugnen, um irgendwo dazuzugehören.

 

Create where you belong!

Das Schöne, das Wunderbare, das Magische, das Heilsame ist: Wenn du dir erlaubst, ganz so zu sein, wie du bist, ziehst du Menschen an, die genau zu dir passen. Und je mehr du das tust, desto mehr kreierst du ein Umfeld, in dem du dich zugehörig fühlen kannst. Oft muss ich staunen und kann mein Glück kaum fassen, wenn ich an meine KollegInnen und die vielen fantastischen Yogis und Yoginis in der yogalounge denke. Kaum hatte ich das Studio gegründet, traten plötzlich unzählige Menschen in mein Leben, die nicht besser zu mir hätten passen können. Menschen, die mich täglich bereichern, und denen ich mich zugehörig fühle. Und seit ich mir hier die Seele aus dem Leib blogge, sind viele wunderbare Verbindungen entstanden, von denen sich manche zu virtuellen, manche sogar zu „echten“ Freundschaften entwickelt haben.

Dein Rudel findet dich.

Aber nur, wenn du dein Wolfsgeheul laut, wahrhaftig und authentisch erklingen lässt.

Dein Rudel findet dich
Dein Rudel findet dich. Und echte Zugehörigkeit hat keinen Preis.

Wenn die Zugehörigkeit einen Preis hat, ist sie nicht echt. Echte Zugehörigkeit bekommst du geschenkt.

Und zwar von dir selbst.

Die Freiheit gibt’s als kostenlose Draufgabe. Guaranteed!

 

PS: Mein Teufelchen hat sich dann bald schlafen gelegt. Im Orion Healing Center auf Koh Phangan habe ich nur allerbeste Erfahrungen gemacht, durfte mit hochqualifizierten, erfahrenen und liebe-vollen YogalehrerInnen praktizieren und habe jede Menge spannende Menschen kennengelernt. Bei genauerer Betrachtung waren nicht alle von ihnen braungebrannt, langhaarig und superschlank, und nicht alle hatten ein IPhone – von Tattoos ganz zu schweigen.

Titelfoto by Harits Mustya Pratama on Unsplash

Foto Kokosnuss by Peter Fogden on Unsplash

Foto Freundschaft by Omar Lopez on Unsplash

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