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Warum Yoga dich genau dort abholt, wo du stehst 

 Juni 9, 2018

 

„Als ich auf die Welt kam, hatte ich alles andere vorgefunden als ein gemachtes Nest. Mein Wurzelchakra konnte sich im ersten Lebensjahr gar nicht ausbilden, denn schon mit sechs Wochen war ich mehr bei einer Pflegefamilie als bei meiner Mutter, und einen Vater gab es für mich nicht. Ich habe auch keine Heimat, einen Ort, an dem ich aufgewachsen wäre. Ständig musste ich umziehen und erst in meiner Jugend wurde ich für eine Weile sesshaft“, schreibt Yogalehrerin und Autorin Sarah Lucke.

Zuhause, so Sarah, fühlte sie sich in der geistigen Welt, und nicht in ihrem Körper. Innenwelt und Außenwelt waren für sie getrennt. Gesundheitliche Probleme, Unsicherheit und das Gefühl, ihren Platz nicht zu finden, waren die Folge.

„Yoga gab mir die Möglichkeit, die geistige mit der materiellen Welt zu verbinden, und das Gefühl der Getrenntheit wurde weniger und weniger. Für mich persönlich war Yoga der Weg zur Erdung“, so die zweifache Mutter.

Mir kommt das sehr bekannt vor. Meine Kindheit verlief zwar völlig konträr zu der von Sarah, trotzdem gab es Gründe dafür, dass mein Wurzelchakra stark blockiert war.  Angekommen in meinem Körper (und auf der Erde) bin ich erst, als ich um die 30 war. Zuvor war ich hauptsächlich im Kopf unterwegs. Ich machte zwar Sport und ernährte mich gesund, aber mein Körper war für mich in erster Linie etwas, das zu funktionieren hatte, und ich nahm es ihm übel, wenn er es nicht tat. In der geistigen Welt fühlte ich mich wohl – aber das Leben hier auf Erden mit all seiner Dichtheit und Dualität empfand ich in erster Linie als ziiiieeeemlich anstrengend.

 

Der Himmel auf Erden

Yoga half mir, meinen „Himmel“ auf die Erde zu bringen. Ich machte mich mit meinem Körper vertraut und lernte, ihn zu lieben. Heute finde ich zwar noch immer vieles anstrengend, aber meistens kann ich das Wechselspiel zwischen Dualität und Eins-Sein genießen.

Bei vielen Menschen ist es genau umgekehrt: Sie sind im Materiellen verhaftet, halten das, was sie sehen und angreifen können, für die einzige Wirklichkeit, und haben keinen Zugang zur spirituellen Dimension ihres Lebens. Für diese Menschen öffnet Yoga oft das „spirituelle Türchen“. Dort, wo sie sich früher isoliert gefühlt haben, fühlen sie sich mehr und mehr in einem großen Ganzen aufgehoben. Sie fühlen sich „verbunden“. Sie empfinden die Grenzen des Körpers nicht mehr als so dicht wie früher, und begreifen, wie sehr unsere Gedanken unser Erleben der materiellen Welt prägen – und wie viel Macht wir über sie haben.

So kann Yoga jeden von uns in Richtung Ganzheit führen, egal, wo wir starten. Das ist das Faszinierende an diesem Weg: Egal, welche Dimension des Lebens wir noch nicht integriert haben – Yoga hilft uns, alle Ebenen des Seins zu durchdringen und die scheinbaren Widersprüche aufzulösen.

Fehlt es an Verwurzelung, Standfestigkeit und Ausdauer, kann eine regelmäßige Yoga-Praxis uns genau diese Qualitäten schenken. Fehlt es an Leichtigkeit, Visionskraft und „Durchlässigkeit“, können wir diese Eigenschaften und Fähigkeiten durch Yoga-Übungen entwickeln. Vielleicht sind wir zu hart mit uns selbst, vielleicht zu nachsichtig (bei den meisten Menschen im Westen ist eher ersteres der Fall ?). Vielleicht haben wir zu wenig Ich-Stärke entwickelt, vielleicht zu viel. Vielleicht sind wir hektisch und kommen nicht zur Ruhe, vielleicht sind wir träge und kommen nicht in Schwung. Wo immer unser Ausgangspunkt ist: Yoga führt uns zur Balance, zum Ausgleich, und zur Ganzheit. Dann müssen wir nicht mehr trennen zwischen der geistigen und der irdischen Welt. Dann verstehen wir, dass es in Wahrheit niemals eine Trennung gab.

Wo immer wir starten - Yoga führt uns zur Balance
Wo immer wir starten – Yoga führt uns zur Balance.

Warum alles von allein geschieht – und warum wir trotzdem einen Lehrer brauchen

„Yoga macht nämlich niemanden zu einem besseren Menschen“, sagt der Iyengar-Yoga-Lehrer Ramananda in Tiziano Terzanis Buch Noch eine Runde auf dem Karussell. „Es prägt nur die Charaktereigenschaften stärker aus. Ist jemand ein Dieb, verfeinert Yoga dessen diebische Eigenschaften; ist jemand von Natur aus neidisch, wird er durch Yoga noch neidischer werden.“

Hm. Klingt nicht besonders sexy – und legt die Frage nahe, ob es sich wirklich lohnt, regelmäßig auf die Matte zu kommen ?

Diese Aussage entspricht auch nicht unbedingt meiner Erfahrung, zumindest nicht bei Menschen, die über mehrere Jahre mit der nötigen Mischung aus Hingabe, Disziplin und Humor praktizieren.

Dennoch steckt ein Körnchen Wahrheit darin. Denn gerade zu Beginn des Yoga-Weges neigen wir dazu, genau die Übungen auszuführen, die das verstärken, wo ohnehin bereits ein Zuviel besteht. Statt unsere starren Muster aufzulösen, reproduzieren wir sie auf der Yoga-Matte – und verstärken sie dadurch womöglich noch.

Zu Beginn meiner Yoga-Praxis habe ich kaum Übungen im Sitzen und Liegen gemacht. Am Liebsten waren mir Stehübungen, bei denen ich die Arme weit in die Luft strecken konnte, Kriegerhaltungen, und überhaupt alles, bei dem es viel zu TUN gab. Hingabe-Haltungen hingegen vermied ich tunlichst, vom Beckenboden wusste ich bestenfalls, dass es ihn gab, und Savasana war nicht viel mehr als ein Nice-to-have. Ich meditierte viel, aber ich arbeitete dabei hauptsächlich mit den oberen drei Chakras, nicht mit dem Herzen, und kaum mit dem unteren Chakra-Dreieck.

„The yoga pose you avoid the most you need the most.”

Savasana - die Totenstellung
No savasana, no yoga.

So wurde ich, das dünnhäutige Luft-Mädchen, noch luftiger und durchlässiger. Die Ideen sprudelten nur so, ich hatte wunderbare spirituelle Erlebnisse, große Visionen und Eingebungen –  aber mit beiden Beinen fest auf der Erde zu stehen, das fiel mir noch immer schwer. Rückblickend betrachtet litt ich bisweilen auch an ausgeprägtem spirituellen Hochmut. Bis mich meine Lehrerin darauf aufmerksam machte, dass es Kraft, Erdung und Urvertrauen waren, die mir fehlten – und nicht die Verbindung zum „Himmel“.  Dass es nicht darum ging, auf dem Kopf zu stehen, sondern endlich auf dem Boden anzukommen und meine Visionen auf die Erde zu bringen. Ich folgte ihrem Rat. Nach und nach wurde meine Praxis ausgewogener – und dadurch auch mein ganzes Sein.

„Practice, and all is coming.“
~ Sri K. Pattabhi Jois

Yoga geht mit jedem, der anfängt zu praktizieren, einen eigenen Weg – einen Weg, zu dem auch Umwege und Hindernisse gehören. Aber so manchen Umweg können wir uns ersparen, wenn wir, zumindest während der ersten paar Etappen, einen erfahrenen Lehrer oder eine erfahrene Lehrerin an der Seite haben.

Und wenn es tatsächlich ein guter Lehrer, eine gute Lehrerin ist, dann wird er/sie uns zur richtigen Zeit ermutigen, uns von ihr oder ihm zu lösen und unseren inneren Guru zu suchen.

Soll ich mich nun mehr fordern oder es ruhiger angehen? Soll ich akzeptieren, dass ich die eine oder andere Schwäche habe – oder liegt genau in der Überwindung dieser Schwächen meine Entwicklungsaufgabe?  Bin ich zu verbissen – oder zu lasch? Ist das jetzt meine weise innere Stimme – oder doch nur die meiner inneren Polizistin oder gar die meines Schweinehundes?

Die Antworten auf Fragen wie diese müssen wir von nun an in uns selbst suchen. Sonst bleiben wir Kinder, die die Hand, die sie führt, um keinen Preis loslassen wollen. Und dann können wir nicht unseren eigenen Weg gehen.

„You are very powerful – provided you know, how powerful you are.“
~ Yogi Bhajan

Yoga führt zur Ganzheit – das klingt so sanft. Ist es aber nicht.

Nach der ersten Honeymoon-Phase, in der Yoga uns einfach nur gut tut und wir froh sind, uns endlich mal entspannen zu können, wartet ein alles andere als sanfter Weg auf uns. Dass Yoga uns zu unserem Wesenskern führt, bedeutet auch, dass wir nach und nach alles loslassen müssen, was nicht diesem Wesenskern entspricht – und das ist beileibe nicht immer ein sanfter Prozess. Nichts, was nicht im Einklang mit unserem wahren Selbst ist, hat Bestand. Yoga hält uns den Spiegel vor, zeigt uns unsere Schatten, unsere Abgründe und Dämonen –  auf dass wir auch SIE zu lieben lernen.

„Yoga opens all the flowers”, sagte einer meiner Lehrer. Was er damit meinte, war: Yoga bringt ALLES in uns zum Vorschein. Nicht nur die bezaubernden Rosenblüten, die so gut duften, sondern auch die Dornen, die Disteln und das Unkraut.

„Yoga is not going to make you great. Yoga is going to make you you!”
~ Yogi Bhajan

Das alles kann aber nur geschehen, wenn wir uns wirklich wirklich wirklich auf diesen Weg einlassen. Wenn wir die bleiben wollen, die wir sind, nur vielleicht ein bisschen weniger gestresst und mit weniger Rückenschmerzen, dafür Yogi-Tee schlürfend, mit bunten ökofairen Leggings und einem Ganesha-T-Shirt am Leib, das spirituelle Mäntelchen adrett über den Schultern drapiert, dann sollten wir lieber nicht allzu tief gehen in unserer Praxis.

„Der Weg der Liebe ist nicht sanft,
Zerstörung ist die Tür, die zu ihr führt.
Die Vögel ziehen Kreise ihrer Freiheit
durch den Himmel.
Wie das? Sie fallen.
Und indem sie fallen,
Werden ihnen Flügel gegeben.“ 
~ Rumi

Und jetzt?

Einatmen. Ausatmen. Ooooooommmm.

Big, wild love

Laya

Mit der FLOW-WRITE-GROW-Methode

Start: Jänner 2019

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