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Das große Loslassen 

 Dezember 9, 2021

Stell dir einen Würfel vor, mit dem du noch nie gewürfelt hast. 

Was ist wahrscheinlicher - eine Sechs zu würfeln oder eine Eins? 

Klar: Beides ist gleich wahrscheinlich, sofern der Würfel nicht gezinkt ist. 

Stell dir nun vor, du hast mit diesem Würfel sechs Mal hintereinander gewürfelt und sechs Mal hat er sechs Augen gezeigt. 

Was ist nun beim nächsten Wurf wahrscheinlicher: eine Eins oder eine Sechs? 

"Natürlich eine Eins", denkst du jetzt vielleicht, "ein weiteres Mal eine Sechs zu würfeln ist quasi unmöglich!"

Aber ich verrate dir etwas: Dem Würfel sind die vergangenen Würfe völlig egal. Für ihn ist jeder Wurf ein neuer Anfang, und alle Ergebnisse sind gleich wahrscheinlich - unabhängig davon, was bisher war. 

Für den Würfel hat Vergangenheit keine Bedeutung. Jeder neue Wurf ist eine neue, frische, herrlich pure Chance. 

Und was, meinst du, ist der Unterschied zwischen einem Würfel und uns Menschen? 

Wieso machen wir uns so sehr von der Vergangenheit abhängig und er nicht? 

Wieso können wir nicht loslassen, was war? Wieso speisen sich unsere Erwartungen an die Zukunft aus dem, was in der Vergangenheit geschehen ist? 

Ganz einfach: Weil wir Menschen uns - im Gegensatz zu einem Würfel - Geschichten erzählen.

Weil wir die Dinge, die geschehen sind, interpretieren. Weil wir glauben, irgendetwas an dem, was war, sei falsch; weil wir denken, wir hätten Fehler begangen, Chancen verpasst, unsere Zeit vergeudet, seien ungerecht behandelt worden, und so weiter. 

Und da sich unsere Gedanken darüber, was möglich ist, aus der Vergangenheit speisen, erleben wir nie die aufregend-süße Frische des gegenwärtigen Moments, der schwanger ist mit Möglichkeiten. 

UNSERE GEDANKEN DARÜBER, WAS MÖGLICH IST, SPEISEN SICH AUS DER VERGANGENHEIT. 


DESHALB ERLEBEN WIR NIE DIE AUFREGEND-SÜSSE FRISCHE DES GEGENWÄRTIGEN MOMENTS, DER SCHWANGER IST MIT MÖGLICHKEITEN.


Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, 
denn in ihr gedenke ich zu leben.
~ Albert Einstein


Den Geist füttern


In meinen frühen Vierzigern verbrachte ich sehr viel Zeit in Krankenhäusern und Reha-Zentren. Meine Eltern waren über lange Jahre sehr krank, und mein Geist war getränkt mit Bildern von Leid, Schmerz, Verfall und Hilflosigkeit. Kein Wunder, dass er ein düsteres Szenario meiner Zukunft fabrizierte: Ich dachte, den Zenit meines Lebens bereits überschritten zu haben. Von nun an würde es körperlich und geistig bergab gehen und ich würde in einem Trauertal der Tränen enden. 

Zum Glück gab es auch einen Teil in mir, der vehement "Nicht! Mit! Mir!" rief.

Also fütterte ich meinen Geist mit anderen Bildern. Ich vertiefte mich in Bücher wie "Göttinnen altern nicht" der großartigen Christiane Northrup. Ich beschäftigte mich mit "positive aging" und damit, wie ich mein Gehirn möglichst lang möglichst plastisch erhalten konnte. Ich suchte bewusst den Kontakt vitaler, abenteuerlustiger und lebensfroher älterer Frauen und fragte sie über ihren Lebensstil und ihr Mindset aus. 

Und siehe da: Mein Leben schlug einen Haken und ließ mich völlig neue Wege gehen, schenkte mir Begegnungen mit den inspirierendsten Menschen und wirbelte mich in luftige Höhen, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass sie existierten. 

Also: Womit fütterst du deinen Geist? Mit den Gespenstern der Vergangenheit oder mit den Möglichkeiten der Zukunft?

 

Adieu! Was du jetzt loslassen kannst

VERPASSTE CHANCEN

Statt verpassten Chancen nachzutrauern, können wir uns auf neue Chancen fokussieren.
Denn ganz ehrlich: Glauben wir wirklich, das Leben sei SO gemeint - dass die Chance für etwas, das unsere Seele erfahren will, nur einmal unseren Weg kreuzt, und wenn wir sie nicht sofort beim Schlafittchen packen, sei sie für immer vertan? 

Hilfreiche Gedanken:

  • Ich habe alle Möglichkeiten
  • The best is yet to come

VERGANGENE FEHLER

Viele Menschen in meinem Umfeld vermeiden das Wort "Fehler" - und ich verstehe die Intention dahinter. 

Allerdings stellt sich die Frage, wie wir "Fehler" interpretieren. 

Eine Freundin von mir zum Beispiel quittiert jedes kleine Hoppala ebenso wie jedes hollywoodreife Scheitern mit einem begeistert gezwitscherten "Hurra, ein Fehler!"

Ich glaube, wir alle machen jede Menge Fehler. Diejenigen, die von bewährten Autobahnen abweichen und den Pfad der Sehnsucht wählen, machen besonders viele - und genau so sollte es auch sein.

Ein Fehler ist nichts Falsches. Er ist eine Sprosse auf der Leiter zum Gelingen.


Hilfreiche Gedanken: 

  • Scheitern ist ein Sprungbrett zum Erfolg
  • Jeder Fehler ist ein Schritt zur Meisterschaft
Schließ mit jedem Tag ab. Du hast dein Bestes gegeben. 
Du hast ein paar Fehler und Albernheiten begangen - vergiss sie so schnell wie möglich.
Morgen ist ein neuer Tag: Beginne ihn gelassen und zu gut gelaunt, um dich mit dem Unsinn von gestern herumzuschlagen. 
~ Ralph Waldo Emerson

VERGEUDETE ZEIT

Manchmal denke ich, ich habe in gewissen Situationen zu lange ausgeharrt; habe den Zeitpunkt für den Absprung fast übersehen; war zu lange zu loyal.

Vor allem aber habe ich mir eeeewig vorgeworfen, sieben Jahre lang Physik und Mathematik studiert zu haben, statt gleich nach der Matura eine Laufbahn als Pyschologin einzuschlagen.

Viele meiner Coaching-Klientinnen kennen solche Gedanken. "Ich habe soooo viel Lebenszeit mit dem falschen Partner / Job / Studium vergeudet!" rufen sie verzweifelt. 

Und ja: Lebenszeist ist unwiederbringlich, und das tut manchmal weh. 

Aber wovon wir hier ausgehen, ist eine lineare Auffassung von Zeit. Eine Auffassung, die nicht in Betracht zieht, dass Lebendigkeit keine Frage von Minuten, Stunden oder Tagen ist. 
"Eine einzige Nacht in schillernden Farben ist mehr wert als tausend Nächte in Beige", hat kürzlich jemand zu mir gesagt. 

Ich sehe das ein wenig anders.

Manchmal brauchen wir viele beige Nächte, um unsere "true colors" zu finden. Manches braucht eine laaaaange Inkubationszeit. Aber die langen Tage und Nächte im Inkubator sind nicht vergeudet - im Gegenteil. Sie haben ein schillerndes Wesen ausgebrütet. 

Hilfreiche Gedanken:

  • Ich habe alle Zeit der Welt
  • Leben ist immer JETZT

Wie geht loslassen? 


So weit, so einfach.

Aber wie geht es denn nun, das viel besungene Loslassen?

Und müssen wir nicht manchmal auch die Idee, wir müssten alles loslassen, loslassen, um unserem komplexen Mensch-Sein gerecht zu werden? 

Wir können die Bereitschaft kultivieren, loszulassen. 

Wir können unsere Gedanken und Gefühle managen. 

Wir können den Blättern im Herbst beim Fallen zusehen, um uns daran zu erinnern, dass weder Baum noch Blatt aneinander festhalten.

Wir können die Weisheit unseres Körpers nutzen (spezielle Atem- und Bewegungsübungen unterstützen uns enorm beim Loslassen).

Wir können Abschiedsbriefe schreiben. 

Aber wir können nichts erzwingen.

Loslassen ist ein Prozess. Und jeder Prozess hat seine eigene Logik. Eine Logik, die sich unserem rationalen Verstand (der sooooo gerne jeden Schritt im Vorhinein wüsste) entzieht. 

Und vielleicht, vielleicht, vielleicht, müssen wir auch gar nichts loslassen - außer den einen Gedanken, dass an unserer Vergangenheit irgendetwas falsch ist ... und dass sie irgendetwas über unsere Zukunft aussagt. 

Buchtipps und Ressourcen:

  • Wieder einmal ein WOW- Goldstück!! Ich danke dir sehr für diese überaus inspirierende!!!!! Habe es auch gleich einer Freundin weitergeleitet und bin mir sicher, dass wir darüber morgen noch sprechen werden!! Besonders deine „hilfreichen Gedanken“haben mich heut abgeholt! Ich wünsche dir einen tollen Tag und herze dich aus dem Norden!

    • Sei auch du geherzt, liebe Manuela ???

      Ich bin wirklich sooo dankbar, dass ich all das weitergeben darf – denn was dadurch in meinem Leben möglich wurde, lässt mich jeden Tag aufs Neue staunen ✨??

  • Eine sehr schöne und erleichternde Sicht der Dinge. Auch ich denke manchmal, so viel hätte ich tun, machen, umsetzen wollen und die Zeit verrinnt, zerrinnt mir zwischen den Fingern. Zerrinnt sie wirklich? Sie ist ja immer noch da, die Zeit. Sie ist nie weg. Vielleicht ist der richtige Zeitpunkt gerade noch nicht gekommen und es braucht noch etwas von der beigen Vorbereitungszeit?
    Jedenfalls ist für mich das gerade eine schöne Vorstellung, dass ich noch nichts versäumt habe und diese Gedanken darüber jetzt loslassen kann.
    Danke für das inspirierende Goldstück und ganz liebe Grüße

    • Das ist wunderbar, liebe Ingrid!

      Ich glaube, es braucht immer wieder ein achtsames und ehrliches Hinschauen und Hinspüren (und das können nur wir selbst, niemand anderer kann es für uns beurteilen): Ist die Zeit wirklich noch nicht gekommen – oder ist das eine Ausrede, zum Beispiel weil ich Angst vor Veränderung habe?

      Ich finde es immer wieder herausfordernd, den Unterschied zu erkennen….

      Was ich aber sicher weiß, ist, dass die Verschwendung mentaler Energie, indem wir mit der Vergangenheit hadern, KEINEN einzigen Vorteil hat ?

      Alles Liebe, Laya

  • Ja, wie geht loslassen… in einem Seminar rang sich in mir mal die verzweifelte Frage nach oben: „wie mache ich denn das, loslassen???“ – und kaum war die Frage raus, musste ich lachen: ja genau, so sicher nicht, nicht mit „machen“. Das Lassen machen wollen… am besten noch mit 5-Schritte-Anleitung, an der ich mich festhalten (ha!) kann; so hätte mein Mind, der gerne an allem ein Geländer hat, das gerne. Mein Herz seufzt gequält und meine Seele lächelt milde… „mach einfach mal die Fenster in deinem Kopf auf, dann erledigt der Wind das schon…“
    Lass es einfach! Einfach ist es, aber es hat keiner gesagt, dass es leicht ist…

    • Das ist eine schöne Metapher, liebe Ute … der Wind wird dafür sorgen, wenn wir ihm ermöglichen, durch die Fenster unseres Geistes (und unserer Seele) zu strömen, zu blasen …. dazu habe ich kürzlich ein Zitat gefunden:

      „Gleich einer ziehenden Wolke,

      durch nichts gebunden:

      Ich lasse einfach los,

      gebe mich in die Launen des Windes.“

      ~ Daigu Ryôkan

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