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Der Alltag ist ein Vergnüüüüüüügen! 

 Juli 14, 2017

Es ist einer jener Momente, in denen ich mich am liebsten wegbeamen würde. Weit, weit weg. Am besten auf einen anderen Stern. Zumindest aber auf einen Sandstrand mit Palmen.

Ich sitze eingeklemmt zwischen meinem Liebsten und dem Puber-Tier auf dem Sofa. Unsere allwöchentliche Familienkonferenz ist in vollem Gange. Seit etwa einer halben Stunde streiten meine beiden Lieblings-Männer über … ja, über was eigentlich? Das weiß niemand mehr so genau.

Eigentlich wollte ich laufen gehen, dann verträumt an meinen Balkonblumen herumzupfen, und danach das Wochenende bei einem Glas Wein und ein paar Seiten aus meinem neuen Lieblingsbuch ausklingen lassen. Stattdessen beschäftige ich mich mit Fluchtfantasien.

 

Aufrichten und strahlen

Zum Glück kommt mir in diesem Moment eine Szene aus einer Familienaufstellung in den Sinn, die ich vor mehreren Jahren gemacht habe.  Zu Beginn der Aufstellung stöhnte meine Stellvertreterin schwer unter der Last ihrer Alltagspflichten. Ihr Rücken war krumm, die Schultern hochgezogen. Am Ende der Aufstellung, nachdem alle und alles an den rechten Platz gefunden hatten, stand sie hingegen hoch aufgerichtet da, strahlte und schmetterte: „Der Alltag ist ein Vergnüüüüügen!“

Auch ein wunderbares Zitat fällt mir wieder ein:

ALLTAG – Tage im All, die alles bedeuten: Schulstunden größerer und bescheidener Meisterschaft.
~ Michael Machenbach

 

Natürlich ist der Alltag beileibe nicht immer ein Vergnügen, zumindest fühlt es sich nicht immer so an. Könnte es aber – wenn wir nur die richtige Brille aufsetzen.

Kann ich zum Beispiel meine Arbeit in einer Haltung der Dankbarkeit vollbringen, statt mich über Kleinigkeiten zu ärgern?

Kann ich auch dankbar sein, wenn sich Arbeit mal richtig nach Arbeit anfühlt – und kann ich das vielleicht sogar genießen?

Kann ich mich, wenn ich die Wäsche aufhänge, an den verschiedenen Farben und der unterschiedlichen Beschaffenheit der Stoffe erfreuen, statt über die viele Hausarbeit zu jammern?

Kann ich, wenn ich am Morgen aufstehe, den Tag begrüßen und schon mal vorab von Herzen zu allem JA sagen, was er mir bringen wird, anstatt mir Sorgen über dieses und jenes zu machen?

Kann ich die schwierigen, die langweiligen, die mühsamen und die chaotischen Dinge, die nun mal zum Menschenleben gehören, willkommen heißen? Als das, was sie sind – wunderbare Gelegenheiten, um zu lernen, zu reifen, kreative Lösungen zu finden, alles ein wenig leichter zu nehmen und meinen Widerstand aufzugeben?

 

Auf dem Jahrmarkt des Lebens

Das Leben auf dieser Erde ist ein bisschen wie ein Besuch auf dem Jahrmarkt. Da gibt es die Geisterbahn, das Riesenrad und die Hochschaubahn.

In der Geisterbahn fürchten wir uns. Aber erstens ist uns klar, dass wir in Wahrheit nur Angst vor Phantomen haben, und zweitens wissen wir, dass der einzige Weg aus der Angst heraus der Weg durch die Angst hindurch ist. Also fahren wir weiter, kreischen ein bisschen und halten uns die Ohren zu, und freuen uns dann umso mehr, wenn wir wieder im Tageslicht stehen und sicher sein können, dass der ganze Spuk nichts als Fake war.

Im Riesenrad staunen wir über die wunderbare Aussicht und die Freiheit, die uns am höchsten Punkt den Atem raubt. Ein erhabener Moment! Gleichzeitig wissen wir, dass wir nicht dort oben bleiben können (das wäre ja auch ziemlich langweilig). Also geht es wieder bergab, wir steigen aus, nehmen unsere „Alltagsperspektive“ ein und müssen zu Fuß weitergehen. Schluss mit Schweben! Aber schön war’s.

In der Hochschaubahn vergeht uns Hören und Sehen, der Wind bläst uns ins Gesicht und uns wird ein bisschen schwindlig von der wilden Fahrt. Aber obwohl es furchterregend ist, macht es doch auch Spaß. Wir wissen, dass uns in Wirklichkeit nichts passieren kann und wir heil wieder aussteigen und festen Boden unter den Füßen haben werden.

 

Was hindert uns daran, unseren Alltag als Vergnügungspark zu sehen?

Wir können mit ganzem Herzen dabei sein und uns voll auf jeden Moment einlassen – und uns gleichzeitig der Tatsache bewusst sein, dass wir nur zu Besuch hier sind und das Leben im Grunde ein bunter Jahrmarkt voller Illusionen ist. Wir können, wie es so schön heißt, ganz IN dieser Welt sein, in dem Wissen, dass wir nicht VON dieser Welt sind.

Schön, wirst du vielleicht einwenden, auf den Jahrmarkt geht man aber freiwillig. Ich hingegen habe mir die Pflichten und Herausforderungen meines Alltags nicht ausgesucht!

Doch, hast du. Zum Teil zumindest – davon bin ich überzeugt. Denn jeder Moment deines Tages bringt dir genau die Dinge und Situationen, die dir ermöglichen, präsenter zu werden, einverstanden zu sein, zu vertrauen und deine Kreativität zu entfalten. Genau dein einzigartiger Alltag ist es, der dich „schleift“, damit du zu jenem Diamanten wirst, als der du gemeint bist: die großartigste Version deiner selbst.

Der Alltag ist nämlich nicht nur ein Vergnügen, sondern auch ein toller Coach und großer Lehrmeister. Er zeigt dir, wo du gerade stehst, wie viel von dem, was du verstanden und erkannt hast, du auch tatsächlich integriert und verwirklicht hast – und wo es noch ein bisschen Übung braucht.

Immer wieder können wir auch die wunderbare Erfahrung machen, dass selbst die banalsten Tätigkeiten eine poetische, eine beinahe „heilige“ Qualität bekommen, wenn wir sie in voller Präsenz und Zugewandtheit ausführen. Dann nämlich, wenn wir gänzlich einverstanden sind mit dem, was gerade ist, wenn wir ganz bei der Sache sind und in ihr aufgehen –  mit Leib und Seele anwesend.

 Ich finde, das alltägliche Leben kann ein Tempel sein.
~  Carole Lombard

 

Oft sind es nicht die großen Momente unseres Lebens, nicht die Heldentaten, die einen Unterschied machen, sondern die vielen, vielen kleinen Dinge, die wir tagein, tagaus tun, und die vielen kurzen Begegnungen, die wir jeden Tag erleben. Je mehr Liebe, Achtsamkeit und Dankbarkeit wir in sie hineinlegen, desto mehr wird der Alltag zum Vergnügen und das alltägliche Leben wird zum Tempel.

I dreamt, and saw that life was joy.
I woke, and saw that life was duty.
I acted, and saw that duty was joy. 
~ Rabindranath Tagore

 

Foto: Ilya Yakover

  • Liebe Laya,

    wie wahr. Das Leben ist ein bunter Jahrmarkt, wo wir selber entscheiden können, wie weit wir die Buntheit im eigenen Leben zulassen. Mit offenem Herzen durch die Welt zu gehen, erleichtert so manches und macht jede Begegnung zu was ganz Besonderes. Viele auch flüchtige Begegnungen waren oft wegweisend und haben mich in meinem Leben weitergebracht. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein buntes und spannendes Leben.

  • Deine newsletter, auch wenn sie mich regelmäßig erreichen, sind jedenfalls nicht alltäglich. Gerade da deren auftakt ja die anrede mit meinem vornamen ist, bewirken sie bei mir, dass ich empfinde, ganz privat – und regelmäßig – mich mit dir über das, was bleibt, wenn alles überzählige abgezogen ist, den kern des lebendigseins also, auszutauschen. Freilich sagt mir mein kühler verstand, dass ich hier nur in einer allgemeinen form gemeint sein kann, als der quasi kleinste gemeinsame nenner all derer, denen du auch deine gedanken- & gefühlswelt zeigst, oder besser: denen du mit der preisgabe eines teils deiner persönlichkeit eine brücke baust zu dem thema, das für dich jetzt gerade im mittelpunkt steht. Dennoch betrifft mich, selbst mit dieser relativierung, was & wie du es schreibst, bis ins innerste. & so ziehst du mich in dein laya-versum, dem ich überaus gerne besuche abstatte, kreisen doch meine gedanken um genau eben jene bewusstseinsfelder – & mit jedem newsletter gleiche ich von neuem mit deinen ansichten die meinen ab. Dafür möchte ich dir, was vielleicht auch nicht ganz alltäglich ist, danke sagen. Ein großes, warmherziges danke.

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