.st0{fill:#FFFFFF;}

Funktionierst du noch oder lebst du schon? 

 Juni 2, 2017

Ich gehöre nicht zu denen, die gerne schwarz sehen. Ich verschwende meine Zeit auch nicht mit Verschwörungstheorien oder düsteren Zukunftsprognosen. Grundsätzlich bin ich radikal zuversichtlich für uns alle und für den Planeten, auf dem wir leben. Immerhin begleite ich Tag für Tag Menschen, die erwachen. Und trotz all der Krisen und Wachstumsschmerzen, die das mit sich bringt, erlebe ich täglich, wie viel Heilung und Segen darin liegt.

In letzter Zeit aber mache ich mir Sorgen um uns. Manchmal bekomme ich richtiggehend Angst.

Warum? Weil wir drauf und dran sind, unsere Würde zu verlieren. Und ohne Würde – das weiß ich genau – können wir kein freies, selbstbestimmtes und lustvoll-friedliches Leben führen.

Kürzlich hat mir jemand von einer Hühnerfabrik erzählt, in der die ArbeiterInnen Windeln tragen müssen, weil regelmäßige WC-Pausen zu teuer für das Unternehmen wären. Ich hab diese Geschichte zwar nicht nachgeprüft (und man soll ja nicht alles glauben, was man so hört), aber sollte sie wahr sein, ist das zum Gruseln.

Zum Glück ist so etwas bei uns in Mitteleuropa (noch?) undenkbar. Aber auch hierzulande greift die heimtückische Funktionitis um sich.

Ich erlebe talentierte, attraktive Frauen, die viel zu lange in Beziehungen mit Partnern bleiben, die weder ihre Schönheit noch ihre Größe sehen. Warum tun sie das? Weil sie Angst haben, „übrigzubleiben“.

Ich erlebe Menschen, die Befriedigung in Konsumwahn, Ess-Anfällen, exzessivem Sport oder Sex suchen. Warum tun sie das? Weil sie unter seelischem Hunger leiden.

Ich erlebe Menschen, die rund um die Uhr im Einsatz sind und sogar krank zur Arbeit gehen. Warum tun sie das? Weil sie Angst haben, sonst ihren Job zu verlieren.

Es soll sogar Menschen geben, die keine Angst um ihren Job haben müssen und trotzdem rund um die Uhr und manchmal auch krank arbeiten – mich zum Beispiel. Umpf 😉

Zusammengefasst: Ich erlebe Menschen, die hauptsächlich eines tun: funktionieren.

Aber wer nur noch funktioniert, verliert das Gefühl für seinen eigenen Wert – und für seine Würde.

Automaten haben keine Würde. Marionetten auch nicht.

Funktionieren macht müde
Funktionieren macht verdammt müde. Ein Leben als Marionette ist unter deiner Würde. Wann hörst du damit auf?

Wenn ich mir von der Mode- und Kosmetikindustrie einreden lasse, dass ich mit meinen 44 Jahren auszusehen habe wie mit 24, dann hat das keine Würde.

Wenn ich glaube, als Frau der bessere Mann sein zu müssen, dann hat das keine Würde.

Wenn Menschen viele Stunden am Tag mit rundem Rücken und eingezogenen Schultern an ihren Schreibtischen sitzen und von zu viel Computerarbeit schmerzend entzündete „Mausarme“ bekommen, dann hat das keine Würde.

Wenn das Liebespaar auf der Parkbank nicht mehr Händchen halten kann, weil beide sich an ihren Smartphones festhalten müssen, dann hat das keine Würde.

Wenn Männer und Frauen auf Online-Partnerbörsen in Millisekunden anhand ihres Profilbilds beurteilt werden wir einst das Vieh auf dem Markt, dann hat das keine Würde.

Wenn ich mich nach einem eineinhalbminütigen Gespräch mit meinem Arzt mit ein paar Tabletten abspeisen und mir jegliche Kompetenz und Eigenverantwortung für meinen Körper und meinen Heilungsprozess rauben lasse, dann hat das keine Würde.

Wenn in unseren Schulen alle Kinder das gleiche lernen und leisten müssen – unabhängig von ihren Neigungen, Veranlagungen und Fähigkeiten -, dann hat das keine Würde.

Wenn wir uns ständig vom Grundrauschen der digitalen Welt von unserer Arbeit ablenken lassen, wenn wir zwischen Mails und Messages keine Zeit mehr für persönliche Begegnungen finden, wenn wir rund um die Uhr verfügbar sind, dann hat das keine Würde.

Wenn wir glauben, unser Wert hänge von unserem Kontostand, der Anzahl der Social-Media-Likes oder der Kilos ab, die wir auf die Waage bringen, dann hat das keine Würde.

Wenn Menschen auf der Straße mit gesenktem Kopf gebannt auf ein paar Quadratzentimeter Display starren, statt den Blick in den majestätisch aufgespannten Himmel über sich zu lenken, dann hat das keine Würde.

 „Nur der Himmel, Geliebte, ist groß genug, um dein Zelt zu sein.“

Ich liebe diese Zitat von R.G. Binding. Nur, der Himmel, Geliebte – nur der Himmel! Willst du dich wirklich mit weniger zufrieden geben?

Nur der Himmel ist groß genug, um dein Zelt zu sein
Majestätisch breitet sich der Himmel über dir aus – hast du einen Moment Zeit dafür, in seine Weite einzutauchen?

Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im deutschen Grundgesetz.

Ich sage: Die Würde des Menschen ist in Gefahr.

Man kann uns vieles nehmen, ohne dass unsere tiefste Essenz ernsthaft davon bedroht wäre. Aber wenn wir uns unsere Würde rauben lassen, dann sind wir verloren.

Wie sollen wir die Weite des Horizonts erblicken, wie sollen wir einander aufrichtig in die Augen schauen, wie sollen wir in die uns zugedachte Größe hineinwachsen, wenn wir nur noch funktionieren und unsere Pflichten erfüllen, wenn wir tagein, tagaus Listen abhaken und wie Roboter durch die Gegend laufen?

„Sachzwänge nicht als Begründungen zu akzeptieren, sondern hinter ihnen die menschlichen Entscheidungen zu erkennen, ist die erste Voraussetzung dafür, die Ohnmacht zu überwinden.“
~ Fabian Scheidler

 

Aber wer weiß. Vielleicht ist die Gefahr, unsere Würde zu verlieren, genau das, was wir brauchen, um endlich aufzuwachen? Vielleicht muss diese Gefahr uns so heftig aufrütteln, dass wir die Herrschaft über unser Leben zurückgewinnen, die Marionettenfäden, an denen wir hängen, durchschneiden und unseren ganz eigenen, lebendigen Tanz zu tanzen beginnen – mutig, wild und frei?

Bitte, Mensch: Mach mit! Erobere deine Würde zurück!

Du tust es nicht nur für dich. Du tust es für die gesamte Menschheit – was für eine Heldentat. 

 

Neunmal Würde

 

1. Richte dich auf.

Es ist immer wieder unglaublich für mich, wie das simple Aufrichten meines Körpers mir meine Würde zurückgibt. Also: Spür deine Füße am Boden. Aktiviere deinen Beckenboden. Heb dein Brustbein. Lass die Schultern sinken. Verlängere die Halswirbelsäule, zieh dein Kinn etwas heran und lass deinen Scheitel zum Himmel wachsen.

Wachse über dich hinaus. DAS ist Würde.  

 

2. Mach dir bewusst, dass du ein einzigartiges Wesen bist und es verdient hast, als solches behandelt zu werden – vor allem von dir selbst.

Hör auf, dich ständig zu vergleichen! Wenn du dein Leben lang versuchst, jemand anderer zu werden, verlierst du den Menschen, als der du gemeint bist. Und das wäre jammerschade – denn der ist nicht nur das größte Geschenk, sondern auch das einzig Wahrhaftige, was du besitzt.

 

3. Finde dein Rudel.

Viele von uns haben das Gefühl, nicht dazuzupassen – nicht in die Familie, in die sie hineingeboren wurden, nicht in die Schulen, die sie besuchen mussten, nicht in unsere heutige Arbeitswelt, und schon gar nicht in jene Fake-Welt, die uns von der Werbeindustrie vorgegaukelt wird. Da kann schnell das Gefühl entstehen, grundlegend „falsch“ zu sein, nirgends dazuzugehören.

Die Lösung: Finde Menschen, die zu dir passen! Puzzle dir deine Wahlfamilie zusammen! Das funktioniert natürlich nur, wenn du dich so zeigst, wie du wirklich bist. Das kann zugegebenermaßen schwierig sein und Angst machen, schließlich haben wir alle genug Verletzungen und Zurückweisungen erlebt. Aber es ist der einzige Weg, von den anderen Rudelmitgliedern gefunden und erkannt zu werden. Tu es – behutsam und Schritt für Schritt.

 

4. Mach Pausen.

Rhythmus ist ein Grundmerkmal alles Lebendigen, und es gibt keinen Rhythmus ohne Pause. Wenn du also keine Pausen machst, schneidest du dich von deiner Lebendigkeit ab.

Daher: Plane Pausen ein und mach sie auch! Pausen sind genauso wichtig wie die Arbeit selbst.

Remember: We are human beings, not human doings.

 

5. Lass dich nicht ständig unterbrechen – auch nicht von dir selbst.

Vor einigen Jahren habe ich eine Sozialwissenschaftlerin interviewt, die sich vor allem mit Frauenfragen beschäftigte. Eine ihrer Aussage ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Die ständigen Unterbrechungen, denen Frauen – und vor allem Mütter – ausgesetzt sind, machen tiefe, sinnerfüllte Arbeit praktisch unmöglich. Wir fühlen uns zerfranst und zerfleddert und können keinen klaren Gedanken mehr fassen.

Vor allem wir Frauen müssen auf unserem Recht beharren, auch einmal für längere Zeit völlig ungestört zu arbeiten. Und wir müssen aufhören, uns ständig selbst zu unterbrechen, sei es mit Wäsche waschen, Emails schreiben oder Kindergeburtstage organisieren. Unsere Arbeit ist wichtig. Sie zählt. Nur wenn wir uns dessen bewusst sind, können wir in Würde arbeiten.

 

6. Geh offline.

Ich persönlich liebe die Vernetzungs- und Kommunikationsmöglichkeiten, die das Internet bietet – und ich habe einige meiner liebsten Buddys über das Web kennengelernt. Aus Internetbekanntschaften wurden tiefe Freundschaften, und das ist ganz wunderbar.

Aber Offline-Zeiten müssen sein. So viel Leben spielt sich jenseits von facebook & Co ab – und das will ich auf keinen Fall verpassen! Dem Sog der virtuellen Welt zu widerstehen, erfordert richtig viel Mut, Klarheit und Kraft – aber es lohnt sich.

Tipp: Fixe Offline-Zeiten einplanen, z.B. abends ab 20 Uhr oder einen ganzen Tag am Wochenende. Du wirst staunen, wie erholsam das ist! Und wie würdevoll du dich dadurch fühlst.

 

7. Nimm dir Zeit für dich allein.

Dates mit dir selbst sind essenziell. Egal, ob du allein in den Wald gehst oder mit einem guten Buch im Café sitzt: Die Rendezvous mit dir – dem wichtigsten Menschen in deinem Leben – sollten absolute Priorität haben.

Optimal: allein verreisen. Ich mache das mindestens einmal pro Jahr, und es ist jedes Mal so, als würde ich nach einer langen Trennung in meine eigenen Arme fallen und spüren: Ich bin zuhause.

Allein auf Reisen gehen - zu dir selbst finden
Manchmal muss frau allein um die Welt reisen, um sich selbst zu finden.

 

8. Hör auf, zu funktionieren.

Du bist keine Maschine und kein Automat. Selbst Computer nehmen sich das Recht heraus, zu crashen, kapital abzustürzen und ihren Dienst zu verweigern. Wann nimmst du dir dieses Recht heraus? Hm?

 

9. Folge dem Beispiel der Natur.

Es gibt nichts in der Natur, das keine Würde besäße. Vom kleinsten Käfer bis zum riesigsten Elefantenbaum: Alles strotzt vor Würde. Und warum? Weil Pflanzen, Tiere, Steine, Berge, Flüsse und Seen ihrer Natur folgen. Sie sind, wer sie sind, folgen ihren eigenen Rhythmen, Zyklen und eingeschriebenen Entwicklungsplänen. Kein Büffel käme auf die Idee, ein Schmetterling sein zu wollen, und kein Gänseblümchen träumt davon, eine Rose zu werden. Warum ist das für uns Menschen bloß so schwierig?

 

Oft, wenn ich mich am frühen Morgen in den Tag schreibe, dann pinsle ich in großen Lettern in mein Journal:

Walk in beauty, walk with grace!

Walk in Beauty, walk with grace!

Damit erinnere ich mich daran, dass das genau das ist, was ich will: in Schönheit und Anmut durchs Leben gehen.

Du bist voller Würde auf diese Welt gekommen. Bitte, Mensch: Tu alles, um sie zu bewahren!

 

Foto „Aufziefrau“: alphaspirit – Fotolia
Foto „Himmel“: nickolya – Fotolia
Foto „Verreisen“: Ihar Ulashchyk – Fotolia

{"email":"Email address invalid","url":"Website address invalid","required":"Required field missing"}

Aktuelle Beiträge

Wege aus dem emotionalen Schmerz
Neues Script, neues Leben: Viewpoint Voyage
7 Geheimnisse für deine Gedanken-Revolution in Rekordzeit
Emotionale Souveränität: Dein Weg zu innerer Stärke
>