Ein Ideal ist nicht zum Erreichen da. Bedingungslose Liebe, das ist etwas für Erzengel und Erleuchtete. Wir Erdenwesen hingegen beißen uns daran die Zähne aus. Und das ist völlig in Ordnung so.
Mein Bekannter H. ist Psychotherapeut, um die 50 und frisch verliebt. Mit ihm philosophiere ich per Email über die Liebe. „Die Vorstellung einer bedingungslosen Liebe“, schreibt er, „ist für mich wie ein Leuchtturm.“ Dieser, so der Frischverliebte, tauge vortrefflich als Orientierung, sei aber nicht dazu gedacht, ihn zu erobern.
Jetzt weiß ich, warum das Lieben für mich so anstrengend ist. Ich versuche ständig, an einem Turm hochzuklettern, der viel zu hoch für mich ist, viel zu glatt und viel zu steil. Jedes Mal, wenn ich glaube, ein paar Meter Höhe gemacht zu haben, rutsche ich ab und lande frustriert auf dem Boden der Tatsachen: morgendlicher Stau im Badezimmer, unerlöste Emotionen, Missverständnisse, Verlustängste, und all die anderen Dinge, die das Menschen- und Beziehungsleben ausmachen.
„Lieber Mensch, du hast da was falsch verstanden“, schreibt Bloggerin Courtney A. Walsh. „Du bist nicht hier, um bedingungslose Liebe zu meistern. Du bist hier, um persönliche Liebe zu lernen, gelebt durch die Eleganz des Stolperns, offenbart durch die Schönheit des Versagens – meistens.“
Kann ich akzeptieren, dass ein Ideal nicht dazu da ist, es zu erreichen? Kann ich mich in den Wassern des Alltags treiben lassen und dabei gelassen das Licht des Leuchtturms im Auge behalten? Kann ich die Anmut im Stolpern sehen und die Schönheit, die im Versagen liegt?
„Ja“, sagt der Leuchtturm. „Du kannst.“
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe von Welt der Frau erschienen.
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Big, wild love
Laya
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