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Wie du schreibend Beziehungen klärst 

 Juni 9, 2018

 

Wir sitzen beim Frühstück, mein Liebster und ich. Wir schweigen, schon seit Minuten – aber für mich fühlt es sich wie Stunden an. „Was ist los?“, fragt der Liebste. „Warum bist du so still?“

Ich antworte nicht. Bin in Gedanken versunken. Das gibt’s doch nicht, denke ich, dass ich keine anderen Gesprächsthemen mehr habe als T.

In den letzten Wochen gab es kaum eine Gelegenheit, bei der das Gespräch nicht auf T. gekommen wäre. T. steht mir sehr nahe, und ihm geht es zur Zeit nicht gut. Er befindet sich in einer schwierigen Übergangszeit, ist einsam nach einer Trennung und einer schweren Krankheit. Er weint, wenn ich mit ihm telefoniere. Oh Gott, wie hilflos man sich da fühlt.

Schon seit einiger Zeit merke ich, dass ich T. helfen und für ihn da sein will, aber dass seine Probleme in meinem Leben viel zu viel Raum eingenommen haben. Dass meine ersten Gedanken am Morgen ihm gehören, und meine letzten Gedanken am Abend auch. Auf eine besondere Art und Weise ist T. fordernd. Nicht aggressiv, in keiner Weise – er ist dankbar für jede Zeit, die ich ihm schenke und für jede Aufmerksamkeit, die ich ihm gebe.  Aber er ist einfach unendlich bemitleidenswert. Und obwohl ich mich bereits sehr intensiv mit dem Thema Gesunde Grenzen auseinandergesetzt habe, merke ich, dass T.’s Probleme zu meinen geworden sind. Sie sind in mein Leben eingedrungen und fressen es auf.

Ich weiß, dass ich ein hochsensibler und oft über-empathischer Mensch bin. Ich weiß, dass nicht T.’s Verhalten das Problem ist, sondern mein Umgang mit ihm. Ich fühle mich vereinnahmt, ausgesaugt und auch immer öfter ausgelaugt, weil ich mich für T.’s Seelenheil verantwortlich fühle und es fast nicht aushalte, dass er leidet. Ich vernachlässige meine Familie, meine Wohnung, mein Business, und natürlich auch mich selbst. So kann es nicht weitergehen.

Je länger ich mehr für T. da bin, als es mir und meinem Leben gut tut, desto mehr mischen sich Wut, Ärger und Ablehnung in meine Gefühle für ihn. Ich habe das Gefühl, mich mit Zähnen und Klauen wehren zu müssen – und das gegen jemanden, der gerade Schutz und Fürsorge braucht. Immer wieder nehme ich mir vor, seine Themen nicht zu meinen zu machen, ihm die Verantwortung für sein Leben zurückzugeben, nicht mehr bei jedem Anruf, jeder SMS und jedem Mail sofort zu reagieren – aber es gelingt mir nur selten. Und wenn doch, dann plagen mich Schuldgefühle. Wie kann man so herzlos sein, jemanden, der gerade derart in der Patsche sitzt wie T., im Stich zu lassen?

Ich nehme mir vor, zumindest nicht ständig über ihn zu sprechen. Beim Frühstück mit dem Liebsten merke ich dann: Wenn ich nicht über T., seine Probleme und meine Probleme mit seinen Problemen rede, fällt mir gar nichts mehr ein, worüber ich sprechen könnte.

Wo, bitteschön, ist der Rest meines Lebens hinverschwunden?

Irgendwann spitzt es sich dann zu. Je mehr ich mich zurückziehe, desto öfter ruft T. an. Er bombardiert mich mit Mails, in denen er sich auch gleich wieder dafür entschuldigt, dass er so oft anruft und schreibt.

Ich spüre: Es geht nicht um sein und mein Verhalten. Die Verstrickung, das, was hier falsch läuft, sind in meinem Inneren. DORT muss ich diese Dinge lösen.

„Hilfe, ich brauche dringend ein Coaching! Oder noch besser, eine Systemaufstellung!“ Schon suche ich hektisch nach Namen, Nummern und Terminen – doch da höre ich eine leise Stimme.

„Layakind“, sagt sie sanft. „Besinne dich auf deine eigenen Tools!“

„Danke, Seele“, antworte ich. „Du hast ja so Recht.“

Also nehme ich Papier und Stift zur Hand und schreibe einen Brief an T.

Da ich weiß, dass ich diesen Brief niemals abschicken werde,  kann ich alles zu Papier bringen, was ich WIRKLICH fühle. Himmel, was sich da alles angestaut hat! Wie viel Frust, wie viel Wut, wie viel Aggression! T., wer hat dir erlaubt, dich in MEINEM Leben breit zu machen? Geh doch hin, wo der Pfeffer wächst!

Selbst ich als Schreibtrainerin, die schon viele derartige Prozesse durchlaufen und auch viele andere darin begleitet hat, bin erschrocken, mit welcher Gewalt da etwas an die Oberfläche kommt, was ich lange unterdrückt und mir selbst verboten habe. Oh lala, wenn T. das jemals lesen würde, würde er mich sicher nie wieder anrufen …

Aber das ist ja gar nicht das, was ich will. Ich will unsere Beziehung klären. Ich will die Verantwortung dafür, dass es T. gut geht, zurückgeben.

Nachdem die erste Welle intensiver Gefühle ihren Weg aus meiner Magengrube aufs Papier gefunden hat, wird es ruhiger in mir. Auch meine Schrift verändert sich. War sie vorher wild, unruhig, hastig, fast unleserlich, wird sie jetzt wieder runder, sanfter und regelmäßiger. Schließlich zeigt sich, worum es im Kern geht: Ich will Verantwortung für mein eigenes Leben übernehmen, nicht für T.‘s. Ich will ihn wieder respektieren und ihm in Liebe begegnen können, statt unterdrückten Groll gegen ihn zu hegen. Ich will mit ihm fühlen, aber nicht leiden. Ich will für ihn da sein in einem Maß, das für mich passt. Ich will klar und liebevoll Nein sagen können zu subtilen Forderungen. Ich wünsche ihm, dass er die Kraft findet, wieder Verantwortung für sich selbst zu übernehmen – und ich weiß, dass er das nur tun kann, wenn ich sie ihm zurückgebe.

Der Brief ist fertig, aber es drängt mich, weiterzuschreiben. Ich übergebe mich dem Schreibfluss, lasse mich von ihm tragen. Schließlich steht eine Kündigung auf dem Papier:

Lieber T., ich kündige als deine Seelentrösterin. Ich kündige als deine Therapeutin, ich kündige als deine Ersatz-Partnerin, und ich kündige als dein psychosozialer Notdienst. All das ist nicht mein Job. Wenn du damit einverstanden bist, kann ich einfach wieder deine Freundin sein – ohne, dass du dich von mir abhängig machst.

Wenn etwas fertig geschrieben ist, weiß man es. Das ist auch diesmal so.

Es ist Abend, ich gehe ins Bett – und schlafe so gut wie schon lange nicht mehr.

Am nächsten Morgen wache ich mit völlig neuer Klarheit auf und fühle mich um eine Tonne leichter. Ich weiß, was zu tun ist, ruhe in mir und fühle mich geführt. Ich werde T. nicht wie vereinbart dieses Wochenende besuchen. Ich werde ihn auch nicht gleich anrufen. Ich gehe zuerst spazieren, dann setze ich mich zum Frühstück auf den Balkon, dann lese ich ein bisschen. Erst DANN rufe ich ihn an, um den Besuch abzusagen.

Ich greife nach einem Buch, das gerade so herumliegt. Schlage an der Stelle auf, an der ich vor einiger Zeit zu lesen aufgehört habe. Ich lese ein, zwei Seiten, und komme zu einem Kapitel, in dem genau die Beziehungsdynamik beschreiben ist, die sich zwischen T. und mir abgespielt hat. Ich lese, wie wichtig es ist, ihn seinen Weg gehen zu lassen und unbeirrt meinen eigenen zu gehen, auch wenn sich unsere Wege manchmal kreuzen. „Oh danke, Leben“, juble ich innerlich, „danke, danke, danke!“

Dann rufe ich T. an. Erkläre ihm, dass ich müde bin. Dass auch mein Leben nicht immer Eitel Wonne ist und voller Herausforderungen steckt, und dass ich Zeit für mich brauche. Als ich ihm sage, dass ich ihn nicht besuchen werde, rechne ich mit Betroffenheit und Tränen. Aber diesmal weint T. nicht. „Das verstehe ich“, sagt er stattdessen. „Es ist so wichtig, gut auf sich selbst zu schauen.“

Das Thema scheint sich in Luft aufgelöst zu haben, ich fühle mich leicht und frei, und wenn ich an T. denke, dann mit liebevollen, mitfühlenden, aber auch sehr klaren Gedanken. Das Mitleiden hat ein Ende, ich weiß wieder, wer ich bin und wer er ist, und fühle mich nicht mehr verstrickt.

Divider Gold

Oft fragen mich Menschen, ob man „schreiben können“ muss, um an meinen Schreib-Workshops und Retreats teilzunehmen. Meine Antwort ist immer dieselbe: Das einzige, was du brauchst, ist die Bereitschaft, dich dem Schreibfluss hinzugeben. Und damit das klappt, verrate ich dir ein paar Tricks, mit denen du den inneren Zensor ausschalten kannst, so dass die Botschaften deines Unbewussten, deines Herzens und deiner Seele ungehindert aufs Papier fließen können.

Um Beziehungen zu klären gibt es noch viele andere (und tiefgreifendere) Schreib-Tools als einen Brief – aber der ist schon mal ein guter Anfang 😉

Und so funktioniert’s:

FLOW ~ WRITE ~ GROW

Komm an einen ruhigen Ort und sorge dafür, dass dich niemand stören kann. Schalte dein Handy ab und schließ die Tür.

Leg Papier und Stift bereit. Schließ die Augen, nimm ein paar ruhige Atemzüge. Versuch, an rein gar nichts zu denken – auch nicht an die Person, um die es geht. Lass dich einfach leer werden, lass für einen Moment alles los.

Bevor du zu schreiben beginnst, mach dir bewusst, dass diesen Brief niemals jemand anderer als du zu Gesicht bekommen wird. Mach dir auch bewusst, dass all deine Gefühl in Ordnung sind. Sie sind da, egal, ob du dich gegen sie wehrst, für sie schämst oder sie unterdrückst. Durch das Schreiben kommt nur etwas aufs Papier, was sowieso in dir ist.

Nimm noch einen tiefen Atemzug und beginn dann, einen Brief an die betreffende Person zu schreiben. Erlaub allem, was da ist, sich auszudrücken. Halte nichts zurück, vertrau dich dem Schreibfluss an, lass dich führen.

Wenn du ins Stocken gerätst, bleib im Fluss – male Kreise, Kringel, Muster, Punkte aufs Papier. Das Schreiben darf ins Zeichnen übergehen, ins Kritzeln, und auch ins Stöhnen, Weinen und Brüllen. Alles ist willkommen.

Hör nicht gleich auf zu schreiben, nur weil du für ein paar Momente nicht weiter weißt. Halte den Stift in Bewegung.

Du wirst wissen, wann der Brief fertiggeschrieben ist.

Nimm noch ein paar tiefe Atemzüge, lockere deine Schultern, zieh die Mundwinkel hoch, schenk dir ein Lächeln.

Lies dann alles, was du geschrieben hast, noch einmal in Ruhe durch. Nimm wahr, wie dein Körper auf einzelne Sätze und Wörter reagiert.

Wenn es sich für dich richtig anfühlt, kannst du den Brief nun verbrennen, die Asche mit Wasser übergießen und sie dann der Erde übergeben. So transformieren die Elemente deine ursprünglichen Gefühle, und helfen dir bei der Klärung dieser Beziehung.

Vielleicht möchtest du den Brief aber auch noch behalten und irgendwann wieder lesen.

Für den Moment gibt es nicht mehr zu tun. Warte ab und lass dich überraschen, was geschieht!

 

Ich wünsche dir einen suuuper Schreib-Flow und viel Klarheit für deine Beziehungen!

Big, wild love

Laya

Willst du lernen, dich schreibend selbst zu coachen? Nicht nur deine Beziehungen zu klären, sondern auch deine Vergangenheit, deine Gegenwart, deine Berufung und deine Zukunft? Dann mach dich mit mir auf DEN GOLDENEN WEG!

Mit der FLOW-WRITE-GROW-Methode

Start: Jänner 2019

  • Liebe Laya,
    oh wie gut dass du das Schreiben als Therapie so kultiviert hast! Denn ich kann sehr gut nachvollziehen wie schwierig so eine Beziehungsklärung ist. Und, zwischen den Zeilen: du hast in allem recht – mit der tief innen liegenden Verstrickung, mit der Not in die alle Beteiligten immer wieder mal geraten, mit den uferlos scheinenden Bedürfnssen – und mit dem eigenenProzess den frau durchlaufen muss um zu Klarheit zu kommen. Toi, toi, toi und alles Liebe!

  • Liebe Laya,
    da zerbricht man sich den Kopf und wer weiß was noch, weil man meint, einen Termin nicht absagen zu können, weil der andere mich doch braucht; man rechnet mit Tränen – und stößt auf Verständnis! Es ist alles nur in meinem Kopf… die Erfahrung habe ich auch schon mehrmals gemacht; und trotzdem… verstricke ich mich immer mal wieder. Danke für´s Erinnern an diese Methode!
    Ich habe aber mal eine ganz andere Frage: Wie gehst Du damit um, dass T. zwar Deinen Brief nicht liest – aber möglicherweise diesen Artikel…?
    Je „näher am Leben“ wir schreiben, desto echter, tiefer und authentischer ist es und desto mehr erreichen wir die Leserinnen – aber ich frage mich auch öfter, ob bzw. wie weit ich etwas verfremden muss, oder ob ich betr. Personen „vorwarnen“ sollte… vermutlich sollte man so etwas erst veröffentlichen, nachdem die Beziehung geklärt ist… 😉
    Herzliche Grüße – und alles Gute für T.!
    (da fällt mir ein Buchtipp ein: „Liebeskummer als Weg der Reifung“ von Peter Lauster; ich finde das kleine Büchlein eine schöne Mischung aus spirituell und praktisch, und es ist von einem Mann an einen Mann gerichtet – das kann ja auch mal hilfreich sein)

    • Liebe Ute,

      danke für diese gute und sehr wichtige Frage – ich stelle sie mir auch immer wieder und habe für mich noch keine allgemein gültige Antwort darauf gefunden (vielleicht gibt es auch keine 😉 ).
      In diesem Artikel habe ich versucht, meine Gefühle, meinen Prozess und die Essenz der Beziehungsdynamik möglichst authentisch und aufrichtig wiederzugeben. Ich nehme mir allerdings die Freiheit, Namen, Begleitumstände und Kontexte zu verändern, sofern das am Inhalt nichts Wesentliches verändert oder verzerrt.

      Es könnte also zum Beispiel sein, dass T. in Wirklichkeit eine Freundin ist, deren Mann gestorben ist. Oder …

      Manchmal bitte ich die betreffende Person aber auch um ihr Einverständnis, bevor ich einen Artikel schreibe/veröffentliche.

      Und ein, zwei Mal bin ich schon ins Fettnäpfchen getreten – und habe daraus gelernt 😉

      Grundsätzlich – da gebe ich dir völlig recht – sollte man „durch“ sein, ehe man damit „raus“ geht 🙂

      Alles Liebe – und vielen Dank für den super Buchtipp!
      Layaki

  • Ich liebe die Stelle mit dem hektischen Hilfesuchen und der leisen Stimme. („Besinne dich auf deine eigenen Tools!“) Kommt mir sehr bekannt vor… ???

    • Ich lasse mich regelmäßig coachen, gehe zur Körpertherapie, und bei richtig fetten Brocken mach ich auch mal eine Aufstellung. Aber ich würde all das viiieeel öfter brauchen, würde ich nicht schreiben. Und tanzen 🙂

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