Raus aus der emotionalen Komfortzone!

Raus aus der Komfortzone

Herr Sohn kommt in mein Homeoffice.

Herr Sohn ist achtzehn, und es ist halb acht Uhr abends.

{Ja, ich weiß. Um diese Zeit sollte ich nicht mehr im Homeoffice sitzen, sondern auf dem Sofa lümmeln oder auf der Yogamatte abhängen}.

Jedenfalls: Herr Sohn fragt mich, ob ich für ihn Pasta koche. Weil: Er trainiert gerade (aka drischt auf seinen Boxsack ein, dass die Wände nur so wackeln). Und wenn er erst nach dem Training mit Pasta-Kochen beginnt, dann wird es schon zu spät zum Abendessen.

Das Muttertier in mir springt sofort an: „Aber natürlich, mein Schatz, stets zu Diensten!“, will es flöten und sich sogleich auf den Weg zum Herd machen. Keine Arbeit ist dem Muttertier wichtig genug, um sie nicht sofort stehen und liegen zu lassen, wenn der Nachwuchs, zu dessen Aufzucht es auserwählt wurde, sein hungriges Mäulchen aufreißt!

Zum Glück bin ich nicht NUR Muttertier. Zum Glück kann ich dieses Tier in mir aus ironischer Distanz betrachten. Ihm den Vogel zeigen. Und es bei Bedarf an die Leine nehmen.

Zum Glück ist mein Bullshitomat 24/7 in Betrieb.

Dieses Bürschchen hat geschätzte drei Stunden Unterricht täglich (so genau weiß das niemand), und was es die restliche Zeit des Tages macht, entzieht sich meiner Kenntnis. Um Hausarbeit handelt es sich jedenfalls nicht 🙂

Völlig absurder Gedanke also, dass Herr Sohn sich sein Abendessen nicht selbst kochen kann.

Aber egal, wie ich mich in dieser Situation verhalte: Es ist unangenehm.

Keine Pasta kochen: Das Muttertier in mir stirbt einen kleinen Tod.

Pasta kochen: Ich verstoße gegen so ziemlich alles, woran ich glaube, finde mich in einer traditionellen Mutter/Frauen-Rolle wieder, die ich zutiefst ablehne, grolle mir selbst, weil ich der Umfalleritis anheimgefallen bin, die Pasta schmeckt bestimmt nicht nach LIEBE, und Herr Sohn hat keine Chance zu lernen, sich seine Zeit besser einzuteilen und selbst für sein leibliches Wohl zu sorgen.

„There’s the pain of standing still and the pain of moving forward. If there’s pain either way, wouldn’t you rather be moving forward?“ ~ Brooke Castillo

„Es gibt den Schmerz des Stillstands, und den Schmerz der Vorwärts-Bewegung. Wenn Schmerz also sowieso unausweichlich ist – würdest du dich nicht lieber vorwärts bewegen?“ ~ Brooke Castillo

Ja, da ist PAIN either way.

Die Frage ist nur: Welchen Schmerz wähle ich?

Den Schmerz darüber, dass ich in meinen altbekannten Mustern feststecke, oder den, der unweigerlich entsteht, wenn ich mich verändere, entwickle, an Ketten rüttle, die mir zuvor gar nicht bewusst waren?

Den Schmerz darüber, dass Herr Sohn genau DAS Gesicht zieht, das mein Mutterherz bluten lässt – oder den darüber, dass ich mich selbst enttäusche?

{Er macht das natürlich absichtlich. Er kennt meine Trigger-Punkte so genau wie eine Akupunkteurin jene Stellen, in die sie ihre Nadeln jagen muss.}

„Personal growth is misleading, because it sounds like it’s going to be fun but if we called it ‚deliberately making yourself so uncomfortable it’ll feel like you’re dying‘ nobody would do it.“

„Persönliches Wachstum ist irreführend, denn es klingt, als würde es Spaß machen. Aber wenn wir es ‚Entscheide dich freiwillig dafür, dich so unbehaglich zu fühlen, dass du denkst, du müsstest sterben‘ nennen würden, würde niemand es wollen.“

~Emily McDowell

Sich mit unangenehmen Gefühlen nicht nur anzufreunden, sondern sich aktiv Situationen auszusetzen, in denen wir uns GARANTIERT unbehaglich fühlen werden, ist ein Schlüssel zu persönlichem Wachstum und mehr Selbstbewusstsein.

Warum es so schwierig ist, die emotionale Komfortzone zu verlassen

„Aber warum ist das soooo schwierig?“, fragen mich meine Coaching-Klientinnen. „Warum dauert es sooo lange, bis ich genug Mut fasse – vor allem dann, wenn es um Beziehungen geht, oder darum, mich zu ZEIGEN?“

Niemand bringt die Antwort auf diese Frage besser auf den Punkt als meine geliebte Danielle Laporte:

„We are undoing eons of conditioning. Go easy on yourself.“

„Wir lösen Äonen von Konditionierung auf. Sei nachsichtig mit dir.“ ~ Danielle Laporte

Anjelica Bautista hat in einem Selbstforschungsprojekt  mit dem schönen Titel „Wie man sich damit wohlfühlt, sich unwohl zu fühlen“ 25 Ängste überwunden, 25 Dinge getan, die sie noch nie zuvor getan hatte, und 25 Dinge gemacht, die ihr zutiefst peinlich waren. Ihr Fazit:  Die Bereitschaft, Dinge zu tun, bei denen wir uns unwohl fühlen, steigert unser Selbstvertrauen – unabhängig vom Ergebnis.

Was das betrifft, bin ich schon seit vielen Jahren mein eigenes Versuchskaninchen.

Bei der praktischen Prüfung meiner ersten Yogalehrerinnen-Ausbildung stellte mich meine Ausbildnerin vor die Wahl:  Kopfstand unterrichten – oder Meditation. Meditation hätte ich aus dem Ärmel geschüttelt. Kopfstand zu unterrichten machte mir Angst. Vor versammelter Kolleg*innenschaft umzufallen war nicht unbedingt eine prickelnde Vorstellung. Trotzdem habe ich diese Option gewählt – und bin daran gewachsen.

Zu Beginn dieses Jahres habe ich beschlossen, meine Scheu vor facebook-Live-Videos abzulegen und mich zu einer 21-Tage-Challenge verpflichtet. 21 Tage lang würde ich jeden Tag live gehen – egal, ob das Licht gut war oder nicht, egal, ob ich etwas Sinnvolles zu sagen hatte oder nicht, egal, ob irgendjemand zusehen würde oder nicht. Ich habe mir selbst fest versprochen, mich nie, nie, niemals für irgendetwas zu kritisieren, sondern mir uneingeschränkt zuzujubeln – einfach dafür, dass ich etwas tat, was mir verdammt unangenehm war. Und heute? Gehe ich live wie im Schlaf und habe großen Spaß daran!

Ich habe einen Improtheater-Kurs besucht, obwohl – oder gerade weil – mir Improtheater schon beim Zuschauen peinlich ist, und ich mich auf Bühnen nicht besonders wohl fühle. Dieser „Sport“ wird zwar vermutlich nie meine Lieblingsbeschäftigung sein – aber ich bin spontaner geworden und habe mir eine herzhafte Portion „Scheiß-dir-nix“-Mindset zugelegt.

Und ich bin ein ziemliches Angstkaninchen, wenn es darum geht, steil bergab zu steigen, womöglich noch über Geröll oder glitschige Felsen. Brrrrr! Trotzdem setze ich mich solchen Situationen hin und wieder bewusst aus. Wenn erfahrene Bergsteiger*innen in der Nähe sind, ist es mir regelmäßig super-peinlich, wie langsam ich im Vergleich zu ihnen bin. Aber genau darum geht es: Ich will meine Scham überwinden. Und dazu muss ich mitten durch sie hindurch.

Ein Leben außerhalb der komfortzone?

Neeeeeiiiin, natürlich nicht.

Das Ziel ist nicht, uns ständig außerhalb unserer emotionalen Komfortzone aufzuhalten.

Das Ziel ist, herauszufinden, wann und wo es sich lohnt, unangenehme Situationen und Gefühle in Kauf zu nehmen, und wann nicht.

Es geht um  bewusstes Wählen. Um absichtsvolles Über-unser-altes-Ich-hinaus-wachsen –  dort, wo es unserer Entwicklung am meisten dient.

„Creating a comfort zone is a healthy adaptation for much of our lives. But so is stepping out of our comfort zone when it’s time to transition, grow, and transform.“

„Eine Komfortzone zu kreieren ist eine gesunde Anpassung für den Großteil unseres Lebens. Ebenso gesund ist es aber, unsere Komfortzone zu verlassen, wenn die Zeit für Wandel, Wachstum und Transformation gekommen ist.“ ~ Abigail Brenner

„Ein wenig Stress und Angst ab und an ist eine gute Sache“, so die Psychiaterin Brenner. „Wenn wir das größere Bild betrachten, wird klar: Wenn du nicht aus deiner Komfortzone heraustreten kannst, wird es für dich schwierig sein, etwas zu verändern oder zu verwandeln, zu wachsen, und dich schlussendlich zu transformieren; mit anderen Worten: all die Dinge, die definieren, wer du bist und deinem Leben Sinn geben.“

Schon Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts fanden die Psychologen Robert Yerkes und John D. Dodson heraus, dass wir unsere beste Leistung dann erbringen, wenn wir ein gewisses Maß an Stress und Angst erleben. Zu viel darf es aber auch nicht sein! Der Ort der „optimalen Angst“, wie Yerkes es nannte, befindet sich etwas außerhalb der Komfortzone – aber nicht allzu weit.

Und dann gibt es da jene Phasen, in denen wir gar nicht aktiv werden müssen, um unsere Komfortzone zu verlassen. Phasen, in denen wir vom Leben unsanft rausgeschubst aus unserem warmen Nest – ob wir wollen oder nicht. Je fleißiger wird davor bereits freiwillige Flugversuche unternommen haben, desto zuverlässiger werden unsere Flügel uns in Situationen wie diesen tragen.

ZWEI BONUS-TIPPS FÜRS VERLASSEN DER KOMFORTZONE

Erstens: Ich bin nicht mehr ganz so süchtig nach Herausforderungen wie früher. Wenn ich bewusst aus meiner Komfortzone trete, sorge ich heute dafür, dass ich es in anderen Lebensbereichen schön kuschelig, komfortabel und sicher habe. Sonst gerate ich ganz schnell in die Panik-Zone statt nur in die Stretch-Zone! 

Zweitens: Was früher unsere Stretch-Zone war kann zu unserer neuen Komfortzone werden. Und wenn wir nicht aufpassen, dann erstarren wir darin.

Ein Beispiel:

Es gab Zeiten, da war „People Pleasing“ mein Hauptberuf. Ich war eine Automatic Yes Machine. DAS war meine Komfortzone – eng und muffig, aber vertraut.

Dann habe ich (begleitet von jeder Menge unangenehmer Gefühle, versteht sich), dieses Muster abgelegt. Meine neue Komfortzone bestand darin, prinzipiell Nein zu jeder Anfrage und jeder Erwartung zu sagen, die irgendjemand an mich hatte. Das hat mich innerlich befreit, aber auch ein wenig hart, einsam und unflexibel gemacht.

Heute tänzle ich mal mehr, mal weniger anmutig zwischen diesen beiden Extremen. Würde es nicht so langweilig klingen, könnte frau es auch „Ich gehe den Weg der Mitte“ nennen.  Heute zum Beispiel bin ich am Todestag meiner Mutter mit meinem Vater zu ihrem Grab gefahren, obwohl ich lieber eine Runde in der Mittagssonne gelaufen wäre. Aber dass ich meine Prioritäten so gesetzt habe, war kein Automatismus wie früher. Es war kein „Father Pleasing“. Es war eine bewusste Wahl.

Was ich sagen will: Es ist gut, immer mal wieder ehrliche Innenschau zu halten, um zu erkenne, was denn aktuell WIRKLICH unsere Komfortzone ist?

Tun wir das nicht, laufen wir Gefahr zu glauben, wir hätten sie hinter uns gelassen – dabei haben wir uns bloß eine neue geschaffen!

10 Ideen, deine Komfortzone zu verlassen

Ich wette, du hast genug eigene Ideen – aber für den Fall, dass du jetzt hooochmotiviert bist, einen kleinen oder großen Sprung raus aus deiner Komfortzone zu machen, sind hier ein paar Anregungen:

  1. Geh alleine ins Restaurant, ins Café oder ins Kino (irgendwann ist der Lockdown vorbei, versprochen!).
  2. Sag eine Woche lang immer dann Nein, wenn du normalerweise Ja sagen und dich hinterher darüber ärgern würdest.
  3. Erzähle jemandem von einer Sache, die dir wirklich, wirklich peinlich ist.
  4. Schreib deiner größten Angst einen Brief.
  5. Vertritt in einer Diskussion mit deiner Schwiegermutter (oder einem ähnlichen Kaliber) deine Meinung.
  6. Frag nach einer Gehaltserhöhung – oder erhöhe deine Preise, falls du selbstständig bist.
  7. Übernachte im Freien (nein, nicht jetzt im Winter).
  8. Geh eine Woche lang offline (oder zumindest einen Tag).
  9. Sag deinen Kindern, dass SIE heute mit Kochen, Abräumen und Putzen dran sind.
  10. Erledige HEUTE den Anruf, den du schon ewig vor dir her schiebst.

Jetzt bin ich neugierig: Was sind DEINE Erfahrungen mit deiner Komfortzone? Und welchen Schritt machst DU bewusst aus hier heraus?

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