„Du solltest mehr Geschichten für Mommies schreiben“, sagt meine alte Freundin S.
{Sorry, S., du bist gar nicht alt. Aber unsere Freundschaft währt schon so lange, dass wir wirklich alte Freunde sind.}
Kennengelernt haben S. und ich einander in der Redaktion eines großen Politik- und Gesellschaftsmagazins. S. war jung und kinderlos, ich war jung und hatte zwei Stiefkinder, und beide träumten wir von einem rasanten Aufstieg in den verlockend glitzernden Journalisten-Karrierehimmel.
Mein Traum endete abrupt mit einer ungeplanten Schwangerschaft.
S. wurde zwar nicht unbedingt berühmt, ergatterte aber immerhin einen gut bezahlten Redakteursjob und schrieb erfolgreich Romane und Kurzgeschichten.
Und obwohl wir in völlig unterschiedlichen Welten lebten, riss unsere Verbindung nie ganz ab. Wann immer S. mich und meinen kleinen Sohn in der Provinz besuchte, zog sie mich auf, weil ich eine furchtbar angespannte Mutter war. Weil ich alles perfekt machen wollte. Und darüber zuweilen jeden Spaß vergaß.
Während ich mich bemühte, stets pädagogisch korrekt zu sein, brachte S. meinem Sohn höchst zweifelhafte Dinge bei und setzte ihm massenhaft Flausen in den Kopf. Bei ihr durfte er ein Eis nach dem anderen schlecken und Schokolade noch dazu. Er durfte stundenlang fernsehen und lange aufbleiben. Sie brachte ihm Kickboxen bei, und wenn wir nach Italien an den Strand fuhren, buddelten sie sich gemeinsam im heißen Sand ein.
Nun ist S. selbst Mutter geworden. Auch für sie stellen sich Fragen, und es ist nicht immer alles einfach. Aber sie hat ihr Leben großartig im Griff, inklusive Kind und Partnerschaft, Karriere und Kreativität.
{Hast du gehört, S.? Du machst das großartig! Und ich bin stolz auf dich.}
Und während S. ihrem Sohn täglich die Windeln wechselt, ist meiner im Stimmbruch angelangt. Das Mutter-Sein ist auch heute noch eine meiner größten Herausforderungen. Und würde ich mich nicht konsequent an meine 3 Golden Rules halten, wäre ich wohl längst untergegangen.
Tataaaa! Hier sind sie:
3 Golden Rules für Muttertiere
1. Du bist die Kuh
Ich wollte mein Kind nie erziehen. Ich wollte ihm keine Vorschriften machen. Ich wollte es nicht einengen und zu nichts zwingen. Ich wollte es in alle Entscheidungen einbinden, und vor allem wollte ich nie, nie, niemals „Das tut man nicht“ oder „Das gehört sich nicht“ zu ihm sagen.
Buddhistisch geschult, wie ich war, hatte ich verinnerlicht, dass mein Sohn zwar in diesem Leben 29 Jahre jünger war als ich, dass er aber mit großer Wahrscheinlichkeit schon ebenso viele Menschenleben hinter sich hatte wie ich. Womöglich war er sogar eine viel ältere Seele, viel weiser, wissender, reifer.
Dennoch: In diesem Leben bedeuten 29 Jahre eine Menge Erfahrungsvorsprung.
Die Augen geöffnet hat mir ausgerechnet ein Führungskräftetraining bei einem Management-Guru. Er nannte als Beispiel für gelungene Führung eine Elefantenherde.
Wer geht voran auf der Suche nach dem nächsten Wasserloch? Na? Nein, nicht der kleine Baby-Elefant mit seinem neugierigen Rüssel! Im Gegenteil. Der folgt schön brav der erfahrenen Elefantenkuh. Denn die weiß mit Sicherheit besser, wo Wasser zu finden ist. Schließlich wandert sie schon seit vielen, vielen Jahren durch die Steppe.
Seither ist mir klar: ICH bin hier die Elefantenkuh. Und solange das so ist, hat mein kleiner Baby-Elefant hinter mir herzutraben (Schabernack und Ausreiß-Versuche natürlich inklusive).
Wir sind gleichwertig, aber nicht gleichberechtigt, mein Sohn und ich. Kinder können mit vielem umgehen, aber nicht damit, dass sie die Erwachsenenrolle einnehmen sollen. Nicht damit, dass sie Entscheidungen treffen sollen, für die sie nicht genügend Erfahrung haben. Oder damit, dass ihre Eltern ihnen die Führung der Elefantenherde überlassen. Das macht sie nämlich zu Tyrannen. Und die sind bekanntlich niemals glücklich.
2. Look for the Kairos Moments!
Mal ganz ehrlich: 99 Prozent des Mutter-Daseins spielen sich irgendwo zwischen anstrengend und mühsam, aufreibend und monoton ab (und wer etwas anderes behauptet, lügt oder ist – im Gegensatz zu mir – zum Muttertier geboren).
99 Prozent spielen sich nämlich in der Chronos-Zeit ab. Das ist die lineare Zeit, und sie kann seeeeeehr laaaaang werden. Zum Beispiel, wenn dein Kind in der Früh noch auf dem Pipi-Thron sitzt, während du längst auf dem Weg in dein Meeting sein solltest. Oder wenn ihm laaaaaangweilig ist, du aber keinen Nerv mehr hast, um es mit tollen Bastel-Ideen bei Laune zu halten. Oder wenn du eeeeeendlich zu deiner wohlverdienten Yogastunde gehen willst, aber der g***ver*****te Babysitter nicht auftaucht.
Zum Glück gibt es aber noch das restliche Prozent der Zeit. Kairos Zeit nämlich: Momente, die den göttlichen Funken in sich tragen.
Der Moment zum Beispiel, als ich zu meinem Sohn unter die Bettdecke schlüpfte, weil er sich vor dem Gewitter fürchtete, und er mich voller Vertrauen bat: „Mami, kannst du bitte den Donner ausschalten?“
Oder der Moment, in dem du dein Kind anschaust, und plötzlich siehst du nicht mehr Pflicht und Verantwortung, sondern diesen Menschen, dieses Wunder, das da in dein Leben, in deine Obhut gepurzelt ist, und du begreifst: Es ist die ehrenhafteste Aufgabe, die du dir vorstellen kannst. Und DU wurdest auserwählt. Weil DU dafür geschaffen bist.
1 Prozent Wunder macht 99 Prozent Mühsal allemal wett.
Darum: Look for the Kairos Moments!
~ Das Konzept von Chronos und Kairos Time stammt übrigens nicht von mir, sondern von Glennon Doyle Menton, nachzulesen in ihrem Blog Momastery
~~ In Wirklichkeit haben natürlich 100 Prozent aller Momente das Potenzial, Kairos Moments zu sein. Um das zu erkennen, müssten wir allerdings AUFWACHEN.
3. Geh und mach dein Ding!
Da kriecht dieses kleine Wesen aus deinem Leib. Und es ist so atemberaubend. Und es will und es braucht 100 Prozent deiner Aufmerksamkeit. Glaubst du zumindest. Oder hat man dir eingeredet. Und vielleicht stimmt das auch – aber maximal für die ersten paar Wochen oder Monate seines Erdenlebens.
Danach braucht es nur noch vertrauenswürdige Menschen – aber nicht mehr ständig DICH.
Spätestens dann solltest du mal tief durchatmen und dich fragen: Neben deiner Identität als Mutter – wer bist du NOCH? Und welche Anteile deiner Persönlichkeit solltest du dringend stärken, um dich wieder ganz und lebendig zu fühlen?
Als mein Sohn zwei Jahre alt war, bin ich eine Woche lang auf ein Schreib-Retreat gefahren. Als er drei war, war ich derartig ausgelaugt vom Alleinerzieherinnen-Dasein, dass ich mich mit einer Woche Yoga und Fasten im Kloster vor dem Burnout retten musste. Von da an habe ich mir jedes Jahr mindestens eine Woche Auszeit vom Muttersein gegönnt. Einmal habe ich zehn Tage lang wie eine Einsiedlerin in einem winzigen slowenischen Dorf gelebt, um meinen Roman zu schreiben. Er ist zwar kein Bestseller geworden (um genau zu sein, ist er noch nicht einmal verlegt 🙂 ), aber es war trotzdem ungemein befriedigend.
Es war jedes Mal schwierig. Es gab jedes Mal Tränen.
Es hat mir jedes Mal das Herz gebrochen.
Und es war jedes Mal überlebensnotwendig.
„I fully believe that one of the greatest gifts I’ve given my children is the example of a mother who pursues her passions like a motherf***er.“
Das sagt Cheryl Strayed im podcast Magic Lessons von Elizabeth Gilbert (highly recommended!). Cheryl ist die Autorin von Der große Trip: Tausend Meilen durch die Wildnis zu mir selbst.
Hätte sie nicht ihre damals vier- und fünfjährigen Kinder für drei Wochen der Obhut anderer überlassen, wäre die Welt um ein großartiges Buch und einen absolut beeindruckenden Film ärmer. Und ihre Kinder um die Erfahrung, dass
~ es einem auch ohne Mommie eine Zeit lang richtig gut gehen kann.
~ es okay ist, jemanden zu vermissen – solange man weiß, dass er wiederkommt.
~ alle Menschen – und auch Muttertiere – das Recht und die heilige Pflicht haben, ihr Ding zu machen, damit die Melodie ihres Herzens erklingen kann. Ohne die wäre die Sinfonie dieses Universums nämlich nicht vollständig.
Also, Mommie: Geh – wenn’s sein muss weeeeiiiit weg – und mach dein Ding!
Du kommst ja wieder. Gestärkt, genährt und beseelt.