„Das habe ich noch nie erlebt“, sagt die junge Frau mit den blonden Haaren und den langen, gepflegten Fingernägeln. „Dass sich jemand so etwas in die Eheringe gravieren lässt!“
Sie grinst, ein wenig verlegen. Auch mein Geliebter grinst – und ich grinse mit.
Klar war: keine funkelnden Edelsteinchen, kein Schnickschnack. Ehrlich und geradlinig sollten unsere Eheringe sein – so wie unsere Beziehung. Auch über die Gravur waren wir uns schnell einig: „Frei und verbunden“ steht eingeritzt in unsere schlichten, silbernen Ringe.
Am 30. Juni 2012 ist mein Geliebter in mein Leben geschneit – besser gesagt: getanzt. Fünf Jahre ist es nun her, dass unsere Wege sich auf der Tanzfläche gekreuzt haben.
Mittlerweile ist dieser Mann nicht nur mein mit Brief und Siegel Angetrauter, sondern auch guter Freund, kreativer Counterpart, Advocatus diaboli, Reibebaum, Fels in der Brandung, Hafen, und vieles, vieles mehr. Was ich für ihn bin, weiß ich nicht so genau. Eine Herausforderung auf jeden Fall ?
Was Beziehungen angeht, hatte ich zum Zeitpunkt unseres Kennenlernens schon einiges hinter mir: eine gescheiterte Ehe, eine geplatzte Verlobung, zwei langjährige Lebensgemeinschaften, ein paar leidenschaftliche und ein paar weniger leidenschaftliche Affären.
Ein bisschen etwas scheine ich aus all diesen Erfahrungen gelernt zu haben – denn die Partnerschaft mit meinem Geliebten ist anders als alles, was ich bisher erlebt habe. Sie ist inniger und echter. Viel, viel ehrlicher. Tiefer und lustiger. Lebendiger. Es gibt Konflikte, aber keine Dramen. Vor allem aber ist diese Beziehung ein enormer Entwicklungskatalysator.
Natürlich waren das auch meine früheren Beziehungen, und ich bin an jeder von ihnen gewachsen. Aber bisher ging es meist darum, mich als Individuum herauszuschälen, meine Eigenständigkeit zu finden, mich aus Abhängigkeiten und alten Mustern zu lösen.
Nun aber, da ich mir meiner Autonomie und Stärke sicher sein kann, erlebe ich als große Qualität in der Beziehung vor allem die Gemeinsamkeit, die Bereitschaft, sich miteinander zu entwickeln, zu wachsen, sich aneinander zu reiben und aneinander zu reifen, und alles – auch das Schwierige – als Entwicklungschance zu sehen, anstatt sich zu verschließen oder davonzulaufen.
Ein solches Commitment trägt. Auch durch turbulente, schwierige oder schmerzhafte Zeiten.
Bevor ich dir meine zehn Hauptzutaten für eine glückliche Beziehung verrate, möchte ich eines klarstellen: „Glückliche Beziehung“ hat für mich nichts mit Romantik zu tun, auch nicht mit permanenter Harmonie oder der Idee einer Partnerschaft, die bis ans Lebensende währen muss.
Beziehungsglück bedeutet für mich: in Kontakt bleiben und sich einander aufrichtig zeigen, egal ob gerade Wolke Sieben angesagt ist oder tiefe Krise.
Auch nebeneinander zu sitzen, nicht mehr weiterzuwissen und Trennungsgedanken zu wälzen, bedeutet für mich Beziehungsglück, solange ich dabei in Beziehung bleibe – mit mir selbst und mit dem anderen.
10 Zutaten für eine glückliche Beziehung
1. Beziehung ist kein Status, sondern ein Prozess
Wie froh war ich, als ich meinen Beziehungsstatus auf facebook endlich von „es ist kompliziert“ auf „in einer Beziehung“ ändern konnte! Abgehakt, Strich drunter, so ist es und so bleibt es.
Denkste.
Beziehung ist niemals ein Status, sondern ein immerwährender Prozess. Ständig wandelt und verändert sich alles, und wenn wir uns dagegen wehren, wenn wir glauben, Beziehung sei ein wohliges Nest, in dem wir uns ein für allemal niederlassen können, dann haben wir etwas grundlegend falsch verstanden. Natürlich können wir Vereinbarungen treffen und Verbindlichkeiten eingehen. Aber zu glauben, diese seien in Stein gemeißelt, tötet jede Lebendigkeit in Beziehungen.
Öffnet euch der ständigen Veränderung. Sie ist keine Bedrohung, sondern eine große Chance!
2. Sich einander zumuten
Erst wenn wir die Idee überwunden haben, nur dann liebenswert zu sein, wenn wir unsere Schokoseiten zeigen, wird es in Beziehungen wirklich interessant. Dann nämlich, wenn wir uns dem anderen mit all unseren Widersprüchlichkeiten, mit unseren Schatten, tiefen Abgründen, Ängsten und Neurosen zumuten. Das bedeutet nicht, einander alles ungefiltert und rücksichtslos vorzusetzen, sondern einfach, sich zu zeigen – als Mensch mit all dem unsäglich Unvollkommenen, was einen vollkommenen Menschen ausmacht.
Fordert euch gegenseitig heraus. Mutet euch einander zu. Nur so kann echte Nähe entstehen!
3. Ein bisschen Single bleiben
„Die Ehe funktioniert am besten, wenn beide Partner ein bisschen unverheiratet bleiben.“ – Dieses Zitat von Claudia Cardinale hat uns ein Freund mit auf den gemeinsamen Weg gegeben.
Egal, ob verheiratet, oder nicht: Ein Stück weit Single zu bleiben ist mehr als das Salz in der Beziehungssuppe! Denn jeder Mensch sehnt sich nach Freiheit UND nach Sicherheit, nach Unabhängigkeit UND nach Gemeinsamkeit. Wenn wir in einer Partnerschaft leben, aber unser Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie missachten, sind Probleme vorprogrammiert.
Bei mir und meinem Geliebten funktioniert das „Ein bisschen Single bleiben“ so:
Jeder von uns fährt hin und wieder allein auf Urlaub. Mein Geliebter hat ein Hobby-Atelier in einem anderen Stadtteil, in dem er seinem Höhlenbär-Dasein frönen kann. Dafür gehört ein Zimmer in unserer Wohnung nur mir. Hier arbeite ich, hier träume ich, hier übe ich Yoga, hier meditiere ich, und nur auf explizite Einladung darf jemand über die Schwelle treten. Das gilt für meinen Geliebten ebenso wie für das Puber-Tier.
Wir haben ein gemeinsames Haushaltskonto, aber auch getrennte Konten. Wir haben zum Teil recht unterschiedliche Freundeskreise. Wir haben ziemlich konträre Ernährungsgewohnheiten und Tag-Nacht-Rhythmen. Deshalb schlafen wir nicht immer im selben Bett und essen nur hin und wieder miteinander. Das alles ist wunderbar entspannt.
Bewahrt euch Räume, die ganz euch selbst gehören! Es steht euch frei, den anderen dorthin einzuladen – aber es ist auch völlig in Ordnung, ihm den Zutritt zu verwehren.
4. Direkte Kommunikation
„Der Geschirrspüler müsste mal ausgeräumt werden.“
„Irgendwie hätte ich Lust auf Kino.“
„Markus schenkt Melanie zum Hochzeitstag immer einen Riesenstrauß Rosen.“
Manchmal passiert es auch mir und meinem Liebsten, dass wir so kommunizieren. Indirekt nämlich. Meistens fällt es uns sofort auf und wir brechen in Gelächter aus – denn wir haben uns schon vor langer Zeit dazu commitet, direkt zu kommunizieren. Das geht so:
„Könntest du bitte den Geschirrspüler ausräumen?“
„Ich gehe heute ins Kino. Hast du Lust, mitzukommen?“
„Ich wünsche mir, dass du mir zum Hochzeitstag Blumen schenkst. Das gibt mir das Gefühl, als deine Frau gesehen und wertgeschätzt zu werden. “
Kommuniziert so direkt wie möglich! Es ist Übungssache, und am Anfang sicher manchmal ungewohnt. Aber es schafft Klarheit. Und die ist immer gut.
5. Auf Abstand gehen UND in Beziehung bleiben
Wenn es schwierig wird, wenn Verwirrung auftritt, wenn neue Verletzungen geschehen oder alte Verletzungen schmerzen, dann ist es manchmal gut, auf Abstand zu gehen und die Dinge mit sich selbst zu klären. Wenn einer das Bedürfnis nach Distanz hat, kann das für den anderen jedoch verunsichernd und bedrohlich sein.
Wie kann man sich zurückziehen und gleichzeitig in Beziehung bleiben?
Indem man klar sagt, was man braucht und warum. Zum Beispiel so: „Hör zu, ich brauche gerade Distanz. Es gibt Dinge, die ich mit mir selbst ausmachen muss, bevor ich wieder mit dir darüber sprechen kann. Ich werde mich also für ein paar Stunden / Tage zurückziehen. Bitte vertrau darauf, dass ich wieder auf dich zukommen werde, sobald ich bereit dazu bin.“
Wenn ihr das Bedürfnis nach Distanz habt, dann folgt ihm. Aber helft einander dabei, trotzdem in Beziehung zu bleiben und gebt euch ein Stück Sicherheit!
6. Zeit allein
Die Beziehung zu sich selbst zu pflegen ist – das wissen wir alle – eine Voraussetzung dafür, glückliche und intime Beziehungen mit anderen zu führen. Trotzdem sind wir uns selbst gegenüber oft unzuverlässig. Zuerst kommt alles andere, und wenn dann noch Zeit bleibt, widmen wir uns uns selbst. Leider bleibt selten Zeit, und wir sind nur allzu schnell bereit, die Dates mit uns selbst abzusagen, wenn von außen irgendwelche Anforderungen an uns herangetragen werden. Oft beschneiden wir die Zeit mit uns selbst auch zugunsten der Zeit, die wir mit dem Partner verbringen.
Das ist nicht gut.
Ich trage zwei Ringe. Den ersten, den ich mir jeden Morgen an den Finger stecke, habe ich mir selbst geschenkt. Er erinnert mich daran, dass ich in erster Linie mit mir verheiratet bin. Hier habe ich keine Wahl. Also ist die Beziehung zu mir selbst die wichtigste. Dann erst stecke ich meinen Ehering an.
Natürlich kann es vorkommen, dass mein Geliebter mal meine Nähe und Unterstützung benötigt, obwohl ich eigentlich gerade Zeit für mich brauchen würde. Dann kann ich abwägen, was in diesem Moment wichtiger und dringlicher ist und mich dafür entscheiden, für ihn da zu sein. Aber die grundsätzlichen Prioritäten müssen klar sein und sind nicht diskutabel.
Pflegt die Beziehung zu euch selbst vor allem anderen! Davon profitiert auch die Partnerschaft.
7. Zeit zu zweit
Beziehungen wachsen und gedeihen nur, wenn man sich Zeit nimmt, um sie zu pflegen. Da wir aber alle ständig furchtbar busy sind, müssen wir uns Beziehungszeit bewusst freischaufeln. Wenn wir wissen, dass wir verlässlich Zeit mit unserem Partner verbringen werden, ist es einfacher auszuhalten, dass wir uns im Alltag manchmal nur die Türschnalle in die Hand geben oder unsere Gespräche sich hauptsächlich um Organisatorisches, Kinder, Haushalt, etc. drehen.
Mein Liebster und ich haben jeden Montagabend ein Date miteinander. Wir gehen spazieren oder auf einen Drink, kuscheln auf dem Sofa oder schauen uns einen Film an. Jeden Freitag gehen wir miteinander frühstücken. Natürlich kommt uns manchmal etwas dazwischen, und wir schaffen es nicht immer, diese Termine einzuhalten. Aber sie haben hohe Priorität für uns und wir verschieben sie nur, wenn es gar nicht anders geht.
Als wir zusammengezogen sind, haben wir uns außerdem bewusst für eine relativ kleine, günstige Wohnung entschieden. Das gibt uns den finanziellen Freiraum, öfter mal für zwei, drei oder mehr Tage fortzufahren und uns gegenseitig eine intensive Beziehungszeit zu schenken.
Ganz wichtig: Zeit für Sex. Sich darauf zu verlassen, dass Sex sich spontan ergeben wird, ist in unserem oft bis auf die letzte Minute verplanten Alltag meist nicht mehr als ein frommer Wunsch. Darum: Sex-Dates vereinbaren! Und zwar nicht spät am Abend, wenn beide hundemüde sind, sondern unbedingt zur Prime Time!
Nehmt euch verlässlich und regelmäßig Zeit, um die Beziehung zu pflegen! Nur so kann sie tiefe Wurzeln schlagen und gedeihen.
8. Zärtlichkeit ohne Sex
Vor allem wir Frauen leiden darunter, wenn körperliche Berührungen fast ausschließlich mit Sex in Zusammenhang stehen. Dabei sind Berührungen ohne jeden sexuellen „Hintergedanken“ unglaublich wohltuend – und auch so wichtig für das Zusammengehörigkeitsgefühl. Oxytocin-Rausch pur – das brauchen wir alle.
Kuschelt stundenlang auf dem Sofa, massiert euch gegenseitig die Füße oder die Hände, krault euch hingebungsvoll den Kopf oder den Rücken, und tut auch sonst alles, was euch beiden gut tut! Oft sind Berührungen verbindender als Worte.
9. Gemeinsame Rituale
Veränderung ist das eine, Beständigkeit das andere. Gemeinsame Rituale geben Halt, schenken Rhythmus und Vertrautheit.
Da mein Geliebter und ich am 12.12. geheiratet haben, stecken wir uns immer am 12. des Monats gegenseitig die Eheringe an, um unsere Verbindung zu erneuern. An diesem Tag feiern wir, gehen essen oder unternehmen etwas, und reflektieren gemeinsam über unsere Beziehung.
Eine Freundin hat mir erzählt, dass sie und ihr Mann jeden Monat eine Vollmond-Party mit Schampus in der Badewanne feiern. Was für ein wunderbar sinnliches Ritual!
Pflegt gemeinsame Rituale, die zu euch passen und Spaß machen! Und hinterfragt von Zeit zu Zeit, ob die Rituale noch stimmig sind oder eine Veränderung brauchen.
10. Lachen
Gemeinsam zu lachen verbindet nicht nur, sondern hilft auch, schwierige Situationen und heikle Themen – wie zum Beispiel Eifersucht – besser zu meistern. Dann kann Lachen die Rettung sein. In einem freundlichen, humorvollen Beziehungsklima, in dem Lachen, Blödeln, Kitzeln oder miteinander Rangeln Platz haben, zeigen sich oft viel schneller Lösungen als durch stundenlanges Reden und Probleme wälzen. Aber lachen – auch über sich selbst und als Paar – will gelernt und kultiviert werden.
Nehmt die Dinge ein wenig leichter, unternehmt etwas, das euch Spaß macht, und lacht, lacht, lacht zusammen! Das löst Spannungen, befreit und bringt euch ins Fließen.
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Wie für alles andere im Leben gilt auch für erfüllte Beziehungen: Es gibt keine Patentrezepte. Auch als Paar heißt das, immer wieder zu erforschen: Was passt zu uns? Was funktioniert für uns? Womit fühlen wir uns wohl? Und sich von allen Vorstellungen, Bildern und Beziehungskonzepten zu befreien. Nur so kann das eigene, das wahre „Beziehungswesen“ zum Vorschein kommen.
Dennoch hoffe ich, dass ich dich mit meinen Beziehungs-Glückszutaten ein klein wenig inspirieren konnte!
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