Keine Angst vor Gefühlen: Your sadness is beautiful!

Mindset Expertin Laya Commenda sitzt im Café

Ich stand da, die nackten Füße auf dem Boden, rund um mich ausgelassen tanzende, fröhliche, bunte Menschen. Alle waren in Bewegung – nur ich nicht. Ich spürte Tränen in mir hochsteigen und wusste: Es hat keinen Sinn, sie hinunterschlucken oder unterdrücken zu wollen. Ich war traurig. Uferlos traurig. Ohne konkreten Grund.

Dann kam ein Engel. Ein Engel namens Adam Barley, ein 5-Rhythmen-Lehrer der ersten Stunde. Ich  sah ihn nicht kommen (oder heranfliegen), doch plötzlich spürte ich eine zarte Berührung an meinem Handrücken, und vernahm eine liebevolle Stimme.

„Dance your sadness“, flüsterte sie mir ins Ohr. „It’s beautiful.“

Seine Hand an der meinen gab mir einen Impuls, mich zu bewegen. Zaghaft folgte ich ihm. Dann lösten sich unsere Hände voneinander, und ich begann zu tanzen, wie ich noch nie zuvor in meinem Leben getanzt hatte. Die Tränen flossen über meine Wangen, meine Füße bewegten sich von selbst, mein Körper – so viel klüger als mein Kopf mit all seinen Bewertungen und Erklärungen –  drückte genau das aus, was Adam mir zugeflüstert hatte: My sadness was beautiful – meine Traurigkeit war schön. Sie hatte ihre ganz eigene Würde, Anmut und Wahrhaftigkeit, und meine Bewegungen wurden zu einem fließenden, zärtlichen Ausdruck davon.

Nach wenigen Minuten verwandelte sich die Traurigkeit in Freude. Mit geschlossenen Augen und weit ausgebreiteten Armen flog ich durch den Raum, meine Füße schienen den Boden kaum noch zu berühren, mein Körper fühlte sich schwerelos an wie eine Feder, die vom Wind nach oben getragen wird und sanft wieder nach unten schwebt, nur um im nächsten Moment wieder ganz von selbst aufzusteigen.

Als der Tanz-Workshop vorbei war, stand plötzlich ein alter Freund vor mir. Er sah mir in die Augen, und ich spürte, dass er MICH sah. Wie so oft, nachdem Tränen geflossen waren, fühlte ich mich zart und zerbrechlich, spürte aber gleichzeitig ach eine unbändige neue Kraft in mir aufkeimen. Mein Freund umarmte mich wortlos, dann lächelten wir einander zu. Ich war glücklich und fühlte mich heil.

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Auch in meinen Seminaren und Retreats bin ich oft berührt und überwältigt von der Schönheit, die sich zeigt, wenn Menschen ihre tiefen Gefühle zulassen, wenn sie sich öffnen und weich werden, wenn ins Fließen kommen darf, was über Jahre oder Jahrzehnte tief im Inneren verschüttet oder abgekapselt war.

Das Geschenk der Offenheit

Manchmal fließen bei meinen Teilnehmerinnen die Tränen, wenn sie durch intuitive Bewegung, Mantrasingen, Meditation oder Schreiben mit uralter Traurigkeit, mit Schmerz oder Wut in Berührung kommen. Abgekapselte Gefühle, die vor langer Zeit nicht gefühlt werden durften, lösen sich aus tiefen Körper- und Bewusstseinsschichten und treten an die Oberfläche.

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass es in solchen Situationen nichts zu tun gibt außer präsent zu bleiben. Ich muss nicht intervenieren, trösten oder „positive“ Stimmung verbreiten. Die Tränen dürfen sein, sie sind willkommen, und wenn sie die Erlaubnis bekommen haben, zu fließen, versiegen sie ganz von selbst wieder.

Meine Teilnehmerinnen wissen oft gar nicht, welches Geschenk der Offenheit ihre Tränen auch für die anderen Menschen im Kreis sind.  Sie wissen gar nicht, von welch berührender Schönheit ihre Traurigkeit ist.

Don’t flatline your emotions!

Früher brauchte ich meistens einen besonderen Rahmen oder ein achtsames, liebevolles Gegenüber, um meine tiefen Gefühle zum Ausdruck bringen zu können. Heute spüre ich frühzeitig, wenn sich etwas, das abgekapselt war, zu lösen beginnt, und gebe diesem Prozess Raum. Ich ziehe mich zurück, komme auf mein Meditationskissen oder auf mein Schaffell, singe ein Mantra, bewege mich sanft oder sinke in die Stellung des Kindes. Dann beginnen die Tränen zu fließen, oder ich breche in wütendes Fluchen und Schreien aus, bibbere und schluchze wie ein kleines Kind oder heule wie eine einsame Wölfin.

Es dauert niemals lange. Danach fühle ich mich erleichtert, klar und gereinigt.

Manchmal schniefe ich noch ein wenig, aber wenig später kann ich wieder voller Freude nach außen gehen, meinen Liebsten stürmisch umarmen, mit meinem Sohn lauthals lachen oder mit meinen Yoginis singen, atmen und tanzen.

„Sie werden staunen, wie oft Sie lachen müssen, nachdem Sie ordentlich geweint haben. Beglückwünschen Sie sich, weil Sie die alten Gefühle zu- und herausgelassen und so den Selbstheilungsprozess in Gang gesetzt haben.“
~Christiane Northrup

Ich empfinde heute jedes Gefühl viel intensiver als früher. Ich spüre Wut, Traurigkeit und Angst auf einer viel tieferen Ebene (und dadurch haben diese Gefühle viel mehr Transformationskraft), ich empfinde aber auch Freude, Liebe und Dankbarkeit viel intensiver. Meine Lebenskraft ist nicht mehr eingesperrt und blockiert, und da sie freier fließen kann als früher, bringt sie Gefühle aus den tiefsten Schichten meines Seins an die Oberfläche.

Wenn wir unsere Gefühle „flatlinen“, weil wir Traurigkeit, Wut oder Einsamkeit nicht spüren wollen, dann leben wir ein dumpfes statt ein intensives Leben. Dann können wir auch keine unbändige Freude, keine grundlose Seligkeit, keine tiefe Liebe oder Dankbarkeit empfinden. Wir fühlen uns bestenfalls halb lebendig.

Jedes Gefühl, das du unterdrückst, unterdrückt deine Lebendigkeit.

„In avoiding our sadness we avoid our lives.

Learning from our sadness can bear great fruit, and avoiding it can have hidden costs.

Our choice is between feeling the sharp pains of self-discovery or enduring the dull ache of unconsciousness that will last for the rest of our lives.“

~ Marianne Williamson

Schmerz, Trauer und Wut – wie intensiv auch immer sie sein mögen – gehen vorüber, die Dumpfheit, die Abgestumpftheit, das Gefühl des Verdorrt- und Blockiert-Seins begleiten uns hingegen ein Leben lang, wenn wir uns nicht dem ganzen Spektrum unserer Gefühle öffnen.

Warum haben wir so viel Angst vor Gefühlen?

Wir haben gelernt, unsere Gefühle als gut oder schlecht, richtig oder falsch, positiv oder negativ zu bewerten. Aber erst unsere Bewertungen, unser Urteil und die Geschichten, die wir aus unseren Gefühlen machen, bewirken, dass wir sie als angenehm oder unangenehm empfinden.

#1 Das Erbe der unterdrückten Gefühle

Viele von uns haben in ihren Herkunftsfamilien nicht gelernt, dass man Gefühle zulassen und ausdrücken darf. In meiner Familie zum Beispiel wurden Wut und Aggression als Bedrohung erlebt. Kein Wunder – meine Eltern haben als Kriegskinder viel Leid, Vertreibung und Gewalt erlebt, deshalb war ihnen Harmonie heilig, und Konflikte und Konfrontationen passten nicht zu ihrem Bild von einer intakten Familie. Das hat mich sehr geprägt, und es hat lange gedauert, bis ich meine wilden und ungestümen Anteile zurückholen, bis ich mir meine Wut erlauben konnte, statt sie – meistens ohne es zu bemerken – in mich hineinzufressen.

Viele von uns sind Kinder einer Elterngeneration, die mit Sätzen wie „Reiß dich zusammen“, „Weinen ist etwas für Schwächlinge“, „Nur die Harten kommen durch“ oder „Werd nicht immer gleich hysterisch“ aufgewachsen ist. Viele dieser Eltern wurden in der Kriegs- oder Nachkriegszeit traumatisiert, mussten das Erlebte aber in sich abgekapselt, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, ihre Erfahrungen aufzuarbeiten und ihre Wunden zu heilen. Die Abgestumpftheit gegenüber intensiven Gefühlen kann also auch ein Schutzmechanismus sein, damit die Gefühlswellen nicht an verborgene Traumata rühren.

So haben wir einfach nie erfahren, dass es in Ordnung ist, Gefühle zu haben und sie auszudrücken. Die über Jahre und Jahrzehnte unterdrückten Gefühle, die in uns gespeichert sind, machen uns Angst. Wir fürchten, dass sie uns überwältigen könnten, würden wir sie zulassen.

Aber, so der Therapeut und Traumaforscher Udo Baer: „Es ist noch niemand im Meer der Tränen ertrunken.“

Wenn wir uns erst einmal damit vertraut gemacht haben, dass Gefühle kommen und gehen wie die Wellen des Meeres, dann werden wir mehr und mehr jede Gefühlswelle willkommen heißen, egal, ob sie uns Freude oder Traurigkeit, Glück oder Wut bringt.

„If you allow your grief, then when it ends – it ends. If you don’t allow it, it’s going to bite you.”
~ Marianne Williamson

#2 Um jeden Preis: Be happy

Dann ist da die Lifestyle- und Think-Positive-Maschinerie, da sind facebook-Seiten und Instagram-Stories, auf denen ausschließlich glücklich Menschen zu sehen sind, da sind Coaches und andere Strahlemänner und -frauen, die stets gut drauf sind und uns ihr 7-Schritte-Erfolgsprogramm zum ewigen Glück verkaufen wollen.

Bitte versteh mich nicht falsch: Ich bin sehr dafür, die glücklichen Momente einzusammeln wie kostbare Edelsteinen, die Gedanken sorgsam zu wählen, Mantras und Affirmationen zu verwenden und so unsere negativity bias Stück für Stück in Richtung Glück zu verschieben.

Aber das ist etwas völlig anderes, als Gefühle, die nun mal da sind, zu unterdrücken.

Wofür ich nämlich nicht bin, ist ein festgeklebtes Lächeln, hinter dem sich tiefe Traurigkeit verbirgt. Wofür ich nicht bin, ist eine fröhliche Fassade, hinter der bitterste Wut kocht.

Happy um jeden Preis? Nicht mit mir. Lebendigkeit und Ganzheit sind es, nach denen ich mich sehne – nicht Zombie-Glück von der Stange.

“Sadness does not want to be healed – it wants to be held.”
~ Jeff Foster

#3 Spiritual bypassing

In der buddhistischen Tradition, in der ich früher praktizierte, war die Transformationskraft der Gefühle zwar anerkannt, dennoch ging es nicht darum, Gefühle zu fühlen, sondern darum, sich von ihnen zu distanzieren, sie zu beobachten.

Das hat manchmal funktioniert. Manchmal wurde dadurch aber alles noch viel schlimmer, und ich fühlte mich wie ein Druckkochtopf, dessen Ventil verstopft ist.

Diese Erfahrung hat mich gelehrt zu unterscheiden:

Ist das, was ich empfinde, ein wahrhaftiges Gefühl, das gesehen und gefühlt werden will, das nach Ausdruck und Er-Lösung verlangt, damit die Energie wieder frei fließen kann? Oder ist es ein „Gewohnheits-Gefühl“, das mich in immergleichen Mustern festhält und endlose Spiralen zieht? Zu solchen Gefühlen dürfen wir ruhig auf Distanz gehen und uns selbst dabei beobachten, wie wir aus Gewohnheit unfroh, muffig oder unzufrieden sind, anstatt uns für Freude, Dankbarkeit und die Schönheit der Welt zu öffnen.

Ich habe Menschen kennengelernt, die sehr viel meditiert und dadurch sehr viel geistige Klarheit erlangt haben, aber von ihren Gefühlen völlig abgeschnitten waren. Manche Praktizierenden benutzen Meditation, um sich an ihren schmerzhaften Gefühlen vorbeizuschummeln – spiritual bypassing eben.

Egal, wie weit wir fortgeschritten sind auf unserem Weg der Erkenntnis und Selbstwerdung: Solange wir Menschen sind, werden wir Gefühle haben. Wir können sie nicht wegmeditieren. Und wenn wir uns immer nur von ihnen distanzieren und sie von außen betrachten, distanzieren wir uns von uns selbst.

„You’re sad because you’re human.”
~ Marianne Williamson

Es erfordert sehr viel Mut, sich dem Diktat eines Umfelds zu entziehen, das nur das Helle will und das Dunkle ablehnt.

Es erfordert Mut, Trauer, Wut oder Einsamkeit zuzulassen und wirklich zu spüren. Es erfordert Hingabe, diese Gefühle zu bejahen – denn das bedeutet, unser Menschsein zu bejahen, mit all seinem Licht, aber auch mit all seinen Schatten. Wir brauchen beides, um ganz zu sein.

Und – Wunder, oh Wunder – wenn wir das Dunkel bejahen, führt es uns ins Licht.

Wir haben die Wahl. Wollen wir ganz leben, mit allem, was dazugehört? Oder halb und gedämpft?

Don’t forget: Your sadness is beautiful! And so are you.

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