Einfach machen? Ja, aber bitte nicht einfach so.

Ambivalenz

„Ich finde Fliegen OHNE WESENTLICHEN GRUND heutzutage unverantwortlich“, schreibt mir eine geschätzte Goldstück-Leserin.

„Für DICH ist es einfach, DU fühlst dich überall auf der Welt zuhause“, meint eine Klientin.

Autsch.

„Du gehst EINFACH SO für acht Monate weg“, sagt mein Liebster.

Nochmal Autsch.

„Du lässt mich EINFACH SO alleine“, klagt Herr Sohn.

Autsch-Autsch.

Meine Lieben, nur weil ich es EINFACH MACHE – weil ich einfach auf Weltreise gehe -, heißt das noch lange nicht, dass ich das EINFACH SO mache.

Oder dass ich mir das „einfach machen“ einfach mache.

Lasst mich erklären.

Geliebter Heimatplanet vs. innerer Ruf

Ja, ich stimme zu – Fliegen ohne wesentlichen Grund ist in Zeiten wie diesen ein No-Go.

Die Frage ist: Sind meine Gründe, es dennoch zu tun, WESENTLICH?

Wesentlicher als das Gebot der Stunde, dem geliebten Heimatplaneten nicht noch mehr Schaden zuzufügen?

Ich besitze kein eigenes Auto. Ich fahre mit dem Rad oder mit Öffis, wann immer es geht. Ich bin seit mehr als vierzig Jahren Vegetarierin. Ich kaufe praktisch nur Bio. Ein Teil meiner Einnahmen geht an die Tree Sisters, die mit meinem Geld Tropenwälder pflanzen.

Ich versuche, auf meiner Weltreise mit möglichst wenigen Flügen auszukommen.

Aber ganz ohne geht es nicht.

Ich spreche mit meiner Coach darüber.

„Immer wieder zweifle ich daran, dass meine Gründe die richtigen sind“, sage ich.

„Was sind deine Gründe?“, fragt sie.

Und ich beginne zu schluchzen.

Während Tränen über meine Wangen kullern, erzähle ich davon, dass ich in meiner Kindheit nie gereist bin. Auch nicht als Teenager oder junge Studentin. Meine Welt war eng und angsterfüllt. Schon wenn ich zwei Tage von zuhause weg war, litt ich unter furchtbarem Heimweh. Ich hatte eigene Traumata erlebt und andere geerbt, und so war es für mich absolut unmöglich, die Grenzen dieser kleinen Welt zu sprengen.

Endlich, mit 21, stieg ich zum ersten Mal in einen Flieger, mit 24 flog ich zum ersten Mal alleine, mit 26 über den Atlantik, mit 44 nach Südost-Asien. Jedes Mal war die Angst mit im Gepäck, jedes Mal bibberten mir die Knie. Doch die Sehnsucht nach Freiheit war stärker.

Die Zeiten der Befreiung währten allerdings nie lange. Ich wurde Mutter. Ich baute ein Business auf. Ich kümmerte mich um meine kranken Eltern. Größere Reisen waren in dieser Zeit nicht mal annähernd denkbar.

Wenn ich Filme wie „Königin der Wüste“  oder „The Secret Life of Walter Mitty“ sah, brannte eine stille Verzweiflung in mir. Ich sehnte mich so sehr danach, die Schönheit dieser Welt zu sehen. Danach, frei über diesen Planeten zu wandeln, der so voller Geheimnisse und Zauber ist, statt unter all den familiären und beruflichen Verpflichtungen förmlich zu ersticken.

Ich verzehrte mich danach, genau die poetische Flaneuse und nomadische Entrepreneuse zu sein, die tief in mir schlummerten und darauf warteten, endlich gelebt zu werden.

Jetzt, mit knapp 50, habe ich die Freiheit, diesem inneren Ruf zu folgen.

Ist das ein „wesentlicher Grund“? Rechtfertigt diese Sehnsucht, mehrmals in ein Flugzeug zu steigen, um die Welt zu umrunden?

Ich weiß es nicht.

Die Ambivalenz bleibt.

Das Liebste hinter mir lassen

„Welche Frau wirst du sein, wenn du nach acht Monaten zurückkehrst?“, fragt mein Liebster.

Seine Stimme klingt besorgt, und mir schnürt es das Herz zu.

Seit zehn Jahren sind wir ein Paar. Wir vertrauen einander zutiefst, wir sind einander Lebensmenschen, und wir wollen das auch bleiben. Wir haben viel und oft darüber gesprochen, wie wir miteinander in Verbindung und im Vertrauen bleiben können, während ich weg bin. Und darüber, ob und wann mein Liebster mich auf der Reise besuchen wird.

Und doch wissen wir, dass es keine Garantien gibt.

Meinen Liebsten zu vermissen fühlt sich scheußlich an.

Herrn Sohn zu vermissen ist fast noch schlimmer.

Ich kenne dieses Gefühl von früheren Reisen – es ist jedes Mal wie Sterben.

Dabei war ich noch nie so lang und so weit fort wie diesmal.

Ich habe Angst, ich könnte meinen Sohn nie wieder sehen.

Ich habe Angst vor der entsetzlichen, existenziellen Einsamkeit, die mich jedes Mal überkommt, wenn ich allein verreise.

Ich habe Angst, den größten Fehler meines Lebens zu begehen und das Liebste zu verlieren, das ich habe.

Warum mache ich mich dann trotzdem auf den Weg?

Weil ich muss.

Muss ich?

Ich weiß es nicht.

Die Ambivalenz bleibt.

„Life is full of tough decisions, and nothing makes them easy. But the worst ones are really your personal koans, and tormenting ambivalence is just the sense of satori rising. Try, trust, try, and trust again, and eventually you’ll feel your mind change its focus to a new level of understanding.“ ~ Martha Beck

Das liebe Geld

Ich habe für diese Reise gespart. Und ich werde mein Kapital anknabbern.

Nein, ich werde nicht in Backpacker Hostels absteigen oder mir das Badezimmer mit fremden Menschen teilen (oder vielleicht doch?).

Ich werde in Hotels und airbnb Apartments übernachten, manchmal großzügig, manchmal bescheiden. Und ich werde acht Monate lang nicht kochen (jipiieeehhh!).

Das gönne ich mir knapp vor meinem fünfzigsten Geburtstag.

Ich werde weiterhin arbeiten und an meinen Buchbabies schreiben.

Sie ist zwar kein Urlaub, diese Reise, aber dennoch kostet sie Geld.

Geld, das ich anlegen, vermehren und dann Herrn Sohn vererben könnte.

Geld, das ich für gute Zwecke spenden könnte.

Geld, das ich gewinnträchtig in Immobilien oder in mein Business stecken könnte.

Ist es IMMER besser, in Erfahrungen zu investieren als in materielle Güter und Wohlstand?

Wird es einen Zeitpunkt geben, an dem ich bereue, so viel für die Erfahrung der Freiheit ausgegeben zu haben anstatt für meine Altersvorsorge?

Ich weiß es nicht.

Die Ambivalenz bleibt.

Hirn folgt Herz. Herz hört zu.

Also.

Grundsätzlich bin ich ein großer Fan von „Mach’s doch einfach“.

Dinge endlos zu zerdenken, Pros und Cons abzuwägen, eeeewig nach der richtigen Entscheidung (die es sowieso nicht gibt) zu suchen,  führt nur dazu, dass wir am Ende keinen Zugang mehr zu dem haben, was wir WIRKLICH wollen – geschweige denn zu unserer Intuition.

Aber das Gegenteil von ZERDENKEN ist nicht GAR NICHT DENKEN. 

„Ich mach’s einfach“, sagt das Herz. 

„Warte einen Moment“, sagt das Hirn. „Lass uns nochmal genauer hinschauen.“

Und im besten Fall ergänzt es: „Ich folge dir, aber nur, nachdem du mir ein bisschen zugehört hast.“  

Viele meiner Klientinnen leben – so wie ich früher – in inneren und äußeren Gefängnissen. Sie gestalten ihr Mutter-Sein nicht so, wie es ihnen wirklich entspricht, sie gehen einer Arbeit nach, die sie erschöpft, sie können in ihren Beziehungen nicht sie selbst sein, und schon gar nicht in ihrer Herkunftsfamilie.

Über die Jahre baut sich ein enormer (und oft destruktiver) Drang nach Freiheit und Selbstbestimmtheit auf. Oft höre ich diese Frauen mit einer Stimme, die gefährlich nach Vulkan knapp vor dem Ausbruch klingt, rufen: „Ich will einfach meinen IMPULSEN folgen! Ich will endlich tun, WAS ICH WILL!“

„Oh yes, honey“, denke ich dann. „Ich weiß genau, wie du dich fühlst.“

Manchmal brauchen wir diese heilige Wut, diese „Jetzt reicht’s!“ Energie, um uns aus unseren Gefängnissen zu befreien.

Aber „Ich tue, was ich will“ und „Ich folge meinen Impulsen, ohne mein Hirn einzuschalten“ hat nichts mit Freiheit zu tun, und schon gar nicht mit „Mach’s doch einfach“ Mindset.

„Ich tue, was ich will“ und „Ich folge einfach meinen Impulsen“ sind kindlich-trotzige Reaktionen auf das Gefühl der Fremdbestimmtheit, das längst nichts mehr mit äußeren Umständen zu tun hat, sondern nur noch mit den Gitterstäben in unseren Köpfen. 

„ICH FOLGE MEINEN IMPULSEN, OHNE MEIN HIRN EINZUSCHALTEN“ HAT NICHTS MIT FREIHEIT ZU TUN.

UND AUCH NICHT MIT „MACH’S DOCH EINFACH“ MINDSET.

Was wir im Moment wollen, könnte ein neues Paar Stiefel sein, den Job hinschmeißen oder ein Schoko-Eisbecher. Unser Impuls könnte sein, uns für ein neues Auto in Schulden zu stürzen, dem schnuckligen Nachwuchs eine Woche lang das WLAN abzudrehen, oder in Netflix abzutauchen und dabei eine Packung Kartoffelchips zu mampfen.

Nichts davon ist im Einklang mit dem, was wir WIRKLICH wollen und was uns (und den Rest der Welt) langfristig glücklich macht.

Einfach machen. Nicht „einfach so“. Aber trotzdem.

Ich gehe allein spazieren.

Nur noch ein paar Wochen bis zur Abreise, und ich bin voller Zweifel.  Der Abschied, der bereits in der Luft liegt, macht mein Herz schwer.

Will ich wirklich?

Ist es das wert?

Soll ich alles abblasen, einen Rückzieher machen?

Ist es RICHTIG?

„Nicht einmal im Nachhinein werde ich es wissen“, denke ich. „Ich höre jetzt auf zu zweifeln. Ich mach’s jetzt einfach. Es wird eine Erfahrung sein, egal, welche.“

Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem wir genug überlegt, reflektiert und unsere Gründe gewissenhaft erforscht haben. 

Dann müssen wir eine Entscheidung treffen und nicht mehr in Frage stellen.

Wir werden der Ambivalenz des Lebens ohnehin nie entkommen.

Also können wir einfach mal machen.

Den Ängsten, den Zweifeln, den Risiken zum Trotz.

“May your choices reflect your hopes, not your fears.”~ Nelson Mandela

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