>> English version: Coming home to feminine essence
Als ich Miriam zu Beginn dieses Jahres in Thailand kennenlernte, war ich vom ersten Augenblick an fasziniert davon, wie wie viel Stärke und weibliche Anmut sie verkörpert. Selten zuvor hatte ich eine Frau getroffen, die völlig in sich selbst zu ruhen schien und gleichzeitig eine so lebendige feminine Kraft ausstrahlte. Doch wie für viele Frauen gab es auch in Miriams Leben Zeiten, in denen sie sich von ihrem Körper abgeschnitten fühlte und eine tiefe Sehnsucht nach einem Leben in Einklang mit ihrer weiblichen Essenz empfand.
Miriam, bitte erzähl uns von deiner persönlichen Transformation weg von Erschöpfung und Lebenskampf hin zu liebevoller Selbstfürsorge und tiefem Respekt für dich selbst und für deinen Körper!
Wie alle Transformationen nahm meine in einer für mich sehr dunklen Zeit ihren Anfang. Ich war 25, lebte in Brighton, und mein Vater war kurz zuvor völlig unerwartet gestorben. Ich arbeitete nine-to-five als Redakteurin in der Magazin-Branche, in einem Unternehmen, in dem all meine Kollegen unglücklich waren. Und auch ich fühlte mich jämmerlich.
Meine Flucht aus dieser Situation bestand in exzessiven Partys. Mein Körper war erschöpft, empfindungsunfähig und durch Nahrungsmittelallergien entzündet, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich unter ihnen litt. Meine Beziehungen waren angespannt, und in meiner AhnInnenreihe gab es viele ungelöste Traumata, die in mir hochkamen. Meine Menstruation ging mit qualvollen Schmerzen und emotionaler Labilität einher, und meine mentale Gesundheit zerbröckelte zusehends.
Mein Leben bestand hauptsächlich aus Schmerz und Kampf. Sogar von den Menschen, die mir nahestanden, fühlte ich mich völlig abgeschnitten. Aufgrund meiner Empfindsamkeit kam ich mir vor wie eine Fremde in einer Welt, in der es als cool galt, wenn einem alles völlig egal ist.
An der Oberfläche war ich schön, erfolgreich und gesund. Aber tief in meinem Inneren war ich niedergeschlagen, entmutigt und zutiefst erschöpft vom täglichen Ringen gegen mein Anderssein.
Ich traf eine radikale Entscheidung, verließ meinen Job und alle Menschen, die ich kannte, und ging nach Thailand. Ich wusste, dass ich Abstand zu den ungesunden Gewohnheiten brauchte, in denen ich festgefahren war: ungesunde Ernährung, Alkohol, Drogen, Menschen, Gedanken. Ich musste all das hinter mir lassen.
In Thailand nahm ich mir viel Zeit – ganze zwei Jahre – für mich selbst. Ich lernte mich selbst wieder kennen, vergab mir und anderen, ließ meine Selbstverurteilung los und begann, mein Leben aus einem tiefen inneren Ruf heraus zu leben. Ich hörte auf, meinen sozialen Konditionierungen zu folgen und dem entsprechen zu wollen, was ich tun oder sein SOLLTE.
Ich tauchte tiefer in die Meditations- und Yogapraxis ein, mit der ich schon als Teenager begonnen hatte. Für lange Zeit saß ich schweigend in Retreats. Ich trank Ayahuasca. (Anm: Ayahuasya ist ein Pflanzensud, der in rituellen Zeremonien verwendet wird, um tiefe Trance-Zustände zu erreichen.) Ich empfing Yoni-Massagen von Menschen, denen ich vertraute. Ich verbrachte ein Monat allein in Meditation im thailändischen Dschungel, und ließ das Bedürfnis los, alles in meinem Leben kontrollieren zu wollen. Lange Zeit lebte ich allein in Indien und widmete mich am Fuße des Himalayas der Erforschung yogischer Praktiken. Langsam – und mit Liebe und Geduld -, wurden mein Körper und mein Geist gereinigt. Die Gewohnheiten und Automatismen, mit denen ich mich identifiziert hatte, fielen von selbst von mir ab, als ich sie nicht mehr brauchte, um meine tiefen Wunden zu kaschieren.
Ich begann, auf meinen Körper zu hören. Er offenbarte mir, dass es Zeit war, meinen alten Schmerz zu halten, zu lieben, zu heilen, und mich zu nähren. Ich akzeptierte, dass ich nicht mehr zurück konnte zu meinem alten Leben, in dem ich von der Magie des Lebens völlig abgeschnitten gewesen war. Also schwor ich mir, von nun an meine Wahrheit zu leben, verbunden mit der Natur, frei und authentisch.
Umgeben von tropischen Wäldern fand ich genug Raum und Zeit, um meinem Herzen zu folgen und tief in meine eigene Essenz einzutauchen. Ich entdeckte meine weiblichen Anteile, die ich nicht länger ignorieren konnte, und die nach sanfter Zuwendung verlangten.
Umgeben vom Dschungel Thailands tauchte Miriam tief in ihre eigene, weibliche Essenz ein.
Ich erkannte, dass ich für eine lange Zeit entgegen meiner eigenen Natur gelebt hatte. Ich hatte die Botschaften meines Körpers, dass es Zeit war, um zu entschleunigen, auszuruhen und ungesunde Beziehungen und Gewohnheiten loszulassen, ignoriert. Ich erkannte auch, dass ich aus der Angst heraus gelebt hatte, nicht erfolgreich zu sein. Ich hatte mich auf eine sehr männliche, fast gewalttätige Weise ständig selbst angetrieben, weil ich mich dadurch sicher fühlte – aber in Wirklichkeit habe ich damit nach und nach meine schöne, zarte Seele beinahe erstickt. Um dazuzugehören, hatte ich eine meiner besonderen Gaben – meine tiefe Empfindsamkeit – zu maskieren versucht, und mich dadurch völlig vom Geschenk der Intuition abgeschnitten.
Im Laufe der vergangenen fünf Jahre habe ich gelernt, gut für mich selbst zu sorgen, meinen Körper wie einen Tempel zu verehren, mich selbst und andere mit achtsamer Präsenz zu berühren, im Einklang mit meinem weiblichen Zyklus zu leben und mich mit Liebe und Respekt zu behandeln, so dass andere dies auch tun können.
Unser modernes Leben im Westen mit seiner Linearität, Leistungsorientierung und dem täglichen Gehetzt-Sein schneidet Frauen von ihrer zyklischen und empfänglichen Natur ab.
Die meisten Frauen versuchen, sich dem anzupassen und haben das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Wie können wir unserer weiblichen Weisheit, unserer Intuition und Kraft wieder vertrauen, anstatt sie zu unterdrücken oder dagegen anzukämpfen?
Eine gute Frage! Zuallererst: Um unsere weibliche Weisheit, unsere Intuition und Kraft wirklich zu kennen, müssen wir sie erfahren. Diese Erfahrung entspricht einer Initiation, die viele Formen annehmen können. Für viele von uns erscheint sie, wenn der Körper nach Hilfe schreit, weil er einfach nicht mehr kann, oder wenn wir uns mental oder spirituell nicht mehr wohl fühlen. Oder wenn unser ganzes Wesen dagegen zu rebellieren beginnt, dass wir in einem System funktionieren sollen, das unserer instinktiven, ursprünglichen und zyklischen Natur völlig widerspricht.
Wenn wir unsere eigene feminine Essenz erfahren haben, ist es Zeit, anderen Frauen davon zu erzählen und Gemeinschaften zu bilden. Mit der Unterstützung unserer Schwestern können wir alles tun und erreichen. Wir realisieren, dass unser Körper voller Magie ist – und dass wir damit nicht alleine sind; wir sind nicht verrückt, weil wir so empfindsam sind oder weil wir fühlen, dass in unserem Leben etwas Entscheidendes fehlt.
Wenn wir Frauen in Frauenkreisen oder in anderen Kontexten unter uns sind, kommen wir zurück zu den alten Bräuchen des Zusammenseins und der Wertschätzung für die besondere Medizin, die wir in uns tragen. Nur gemeinsam können wir wieder sichtbar werden und unseren Platz einnehmen. Nicht durch Konkurrenz, sondern durch Kooperation; und indem wir anerkennen, dass jede von uns andere Gaben und Talente hat, die es verdient haben, gefeiert zu werden.
Um all das zu kreieren, müssen wir aufwachen. Wir müssen erkennen, dass die aktuellen Systeme für uns nicht funktionieren, und wir müssen – mutig und liebevoll – beginnen, unsere Stimmen zu erheben, wir müssen diese Systeme auseinandernehmen und neu zusammensetzen, und zwar so, dass Naturverbundenheit, die Liebe zueinander und der Respekt vor Seele und Geist mehr zählen als Profit und Kontrolle.
Ich bin überzeugt davon, dass eine fundierte und regelmäßige spirituelle Praxis entscheidend dazu beiträgt, dass wir wieder Vertrauen in unsere innere Magie gewinnen. Diese Praxis muss nicht aus einer bestimmten Technik bestehen – sie kann Stille, Bewegung, Rituale, Zeremonien und Feste beinhalten, und sich entwickeln und verändern, so wie wir selbst uns auch weiterentwickeln und verändern.
In deinen ‘Yoga Moon’ Workshops unterrichtest du Embodiment-Techniken, die Frauen helfen, sich wieder mit ihrem Körper, ihrem eigenen Rhythmus und vor allem mit ihrem Menstruationszyklus zu verbinden. Woher stammen diese Techniken, und wie funktionieren sie?
Embodiment-Techniken ermutigen uns, die Klugheit unseres Verstandes zu respektieren, aber gleichzeitig zu erkennen, dass sie beschränkt ist. Sie bringen unsere Intelligenz in den Körper, in unsere Brüste, in unser Herz, in unsere Gebärmutter und in unsere Yoni.

Viele alte Weisheitstraditionen sehen Yoni und Gebärmutter als innere Tempel der Frau an, als jene Orte, an denen die usprüngliche weibliche Kraft und Magie beheimatet ist. Du vermittelst unter anderem die ‚Yoni Egg‘ Praxis, mit der Frauen Spannungen in der Yoni loslassen können, so dass Heilung geschieht. Was hat es mit dieser Technik auf sich?
Wie wirkt es sich auf unsere Beziehungen aus, wenn wir uns auf den Weg der emotionalen Heilung machen und uns wieder mit unserem Körper und unserer weiblichen Essenz verbinden? Können Frauenkreise uns auch helfen, unsere Beziehung zu Männern zu heilen?
Wenn wir Frauen an uns arbeiten, tun wir das auch für alle Männer – und umgekehrt.Manchmal gibt es ein Missverständnis bezüglich Frauenkreisen oder Seminaren, Retreats etc., zu denen nur Frauen eingeladen sind. Manche Menschen glauben, dass diese die Trennung zwischen Männern und Frauen noch verstärken würden – aber das geschieht nur dann, wenn wir uns in Karikaturen des männlichen und des weiblichen Prinzips verlieren, anstatt die wahre seelische Essenz dieser polaren Energien zu verstehen.Und ich spreche hier von Qualitäten jenseits von Geschlechtsidentität!
Du hast dein Leben in Europa hinter dir gelassen, um dem Ruf deiner Seele zu folgen. Wie sieht dein Alltag in Thailand aus?
Wie sieht deine Vision für die Zukunft aus? Was können Frauen zu einer besseren Welt beitragen?
Mein Wunsch für uns alle ist, dass wir aufwachen. Es ist Zeit, wütend zu sein. Es geht nicht darum, in der Wut stecken zu bleiben und uns selbst damit wehzutun. Aber wir müssen begreifen und anzuerkennen, dass die weibliche Weisheit in den Untergrund verbannt wurde. Es geht darum, unsere Wut als Katalysator zu benutzen, um genügend Kraft für die notwendigen Veränderungen zur Verfügung zu haben.

Dieses Interview mit Miriam hat mich schwer beeindruckt!! Beim Lesen ist mir eine Freudenträne über die Wange geronnen. Ich träume davon, dass sich alle Frauen vom Mut und der Kraft dieser Frau inspirieren lassen. Und alle Männer sollten sich ein Scheibchen Weisheit von Ihr abschneiden!
? Danke dafür ?
? Pepi ?
Lieber Pepi,
es ist schön, dass auch du als Mann dich davon berühren lässt!
Namasté Juchhe
Layaki
Liebe Laya,
danke für Dein liebevolles Erinnern genau zur rechten Zeit.
Von Herzen alles Liebe
Heike
Gerne, liebe Heike. Wenn wir uns alle immer wieder gegenseitig an das Essenzielle erinnern, ist alles gut 🙂
Herzensgrüße
Laya
Dieser Artikel hat mich zu einer ganz und gar profanen Frage veranlasst: habt ihr Erfahrungen und Empfehlungen bezüglich der Menstruationstasse?
Und was ist eigentlich so „verwerflich“ an Tampons? (vom Müll bzw. Öko Gedanken abgesehen)
Liebe Andrea,
ich war schon über 40, als ich endlich von Tampons zum Mooncup gewechselt habe. Aber besser spät als nie – und ich würde niemals mehr zurückwechseln wolleb 🙂
Tampons trocknen die Vagina aus, was zu Mikroverletzungen im Gewebe führen kann. Die Vermehrung von schädlichen Bakterien wird begünstigt, Toxine können leicht in den Blutkreislauf gelangen, und die natürliche Selbstreinigungsfähigkeit der Vagina wird beeinträchtigt. Von der Gefahr eines toxischen Schocksyndrom mal ganz abgesehen …
Aus meiner Sicht gibt es aber noch einen anderen guten Grund, zum Mooncup zu wechseln: Mit ihm bekommen wir wieder mehr Bezug zum Menstruationsblut, es darf „sichtbar“ und erfahrbar werden, und die Regelblutung wird nicht ins Unsichtbare abgedrängt oder gar tabuisiert, wie es mit Tampons der Fall ist.
In manchen Kulturen wird das Menstruationsblut in einem Ritual der Erde übergeben, und dadurch die Verbindung zu ihr und ihren Rhythmen und Zyklen gestärkt. Damit stärken wir Frauen auch uns selbst und unsere feminine Natur.
Es ist so schade, dass es in unseren Kulturkreis so etwas nicht oder kaum mehr gibt!
Liebe Grüße
Laya