Sie sieht gar nicht aus wie ein Vampir. Sie ist klein und feingliedrig, um die 50, hat ein freundliches Gesicht und sympathische Lachfalten um die Augen. Strahlend und voller Euphorie drückt sie mir einen Kugelschreiber in die Hand, auf dem der Name jenes Vereins steht, den sie gegründet hat.
Ungewollt sei sie schwanger geworden, erzählt sie mir, trotz Verhütung. Und sie habe sich gar nicht viel dabei gedacht, als sie die Schwangerschaft abgebrochen hat (das Wort Abtreibung nimmt sie nicht in den Mund). Was das bedeutete, sei ihr erst im Nachhinein bewusst geworden, und sie habe schwere Depressionen bekommen, die bis zum Suizidversuch führten. „Niemals“, fährt sie fort, „niemals hätte ich gedacht, dass ich damit an die Öffentlichkeit gehe. Aber es hat so sein wollen. Ich weiß, dass es meine Aufgabe ist, anderen Frauen zu helfen, indem ich meine Geschichte erzähle.“
Oooooooohhhhh mein Gott, jault etwas in mir auf, oooooooohhhh mein Gott, lass mich bloß damit in Ruhe! Ich hab dich nicht gebeten, mir davon zu erzählen, ich will deine Geschichte nicht hören, ich kenne dich nicht, das ist mir viel zu intim!
Und ich spüre genau das, was jedes Mal passiert, wenn ein Energievampir versucht, seine Zähne in meinen Hals zu schlagen und mich auszusaugen: Mein Lächeln erstarrt zu einer Fratze, meine Stimme klingt gepresst, ich habe einen Kloß im Hals und bekomme das Gefühl, mich nicht mehr bewegen zu können und dem Vampir hilflos ausgeliefert zu sein.
Zum Glück habe ich gelernt, sofort zu bemerken, was sich da abspielt. Zum Glück habe ich gelernt, mich sofort zu schützen. Zum Glück habe ich die Muster erkannt, die sich zwischen Energievampiren und mir als Opfer abspielen – und kann sie daher durchbrechen.
Sofort Körperhaltung ändern, Arme vor der Brust verschränken, auf Abstand gehen. Sofort das Lächeln vom Gesicht nehmen und über meine eigenen Angelegenheiten zu sprechen beginnen.
Du ahnst nicht, wie schnell Energievampire verschwinden, wenn du ihnen die Aufmerksamkeit entziehst und von dir selbst zu erzählen beginnst! Es funktioniert jedesmal – wie Zauberei.
Gibt es auch in deinem Leben Menschen, die dir Energie entziehen? Und hast auch du manchmal das Gefühl, ein wehrlos ausgeliefertes Opfer zu sein, während sie dich aussaugen?
Dagegen gibt es ein paar einfache Mittel. Um sie anwenden zu können, sind drei Schritte notwendig:
- Erkenne das Muster
- Identifiziere Energievampire
- Leg dir Strategien zurecht, um sie gar nicht erst zubeißen zu lassen (bzw. um den Schaden zu begrenzen, falls sie schon zu saugen begonnen haben)
1. Erkenne das Muster
Zum vampirischen Paartanz gehören immer zwei: Einer der saugt, und einer, der den Hals hinhält.
Wie so oft in scheinbaren Täter-Opfer-Beziehungen ist Schwarz-Weiß-Denken fehl am Platz. Denn GARANTIERT hat auch das Opfer des Energievampirs etwas davon, dass es sich aussaugen lässt. Dahinter stecken sehr oft Prägungen und Muster aus der Kindheit, die uns nicht bewusst sind, beziehungsweise eine gewisse Persönlichkeitsstruktur, die es den Vampiren leicht macht, sich festzubeißen und Energie abzuziehen.
Zum Beispiel könnte es sein, dass du dich als gute Zuhörerin siehst, als jemanden, der immer ein offenes Ohr für andere hat. Vielleicht hast du in deiner Kindheit für ein solches Verhalten Anerkennung und Wertschätzung bekommen, und es fällt dir schwer, deine eigenen Bedürfnisse zu spüren, deine Grenzen wahrzunehmen und notfalls auch zu verteidigen.
Was also hast du davon, dich weiterhin aussaugen zu lassen? Du kannst dein Bild von dir selbst als liebevoller, fürsorglicher und hilfsbereiter Mensch aufrecht erhalten und läufst nicht Gefahr, in Konflikte zu geraten oder die Anerkennung anderer zu verlieren. Du profitierst davon, ein Opfer zu sein, weil es dir hilft, dein Selbstbild aufrecht zu erhalten und die (Schein-)Harmonie zu wahren. Lieber still leiden als der Wahrheit ins Auge sehen und in einem – womöglichen schmerzhaften – Prozess feststellen zu müssen, wie viele Masken du trägst!
Es könnte aber auch sein, dass du Angst davor hast, das zu tun, was du wirklich gerne tun möchtest, was so ganz DEINS ist. Das kann zum Beispiel daran liegen, dass es in deiner Herkunftsfamilie nicht unbedingt erwünscht war, dass jeder sein Ding macht, dass Individualität nicht gefördert wurde, und aus der Reihe zu tanzen mit Unverständnis und hochgezogenen Augenbrauen, Kritik und Kopfschütteln, im schlimmsten Fall sogar mit Liebesentzug bestraft wurde.
Was also hast du davon, dich weiterhin aussaugen zu lassen? Dir bleibt keine Energie mehr, die du in deine eigenen Interessen, dein eigenes Wachstum und deine eigene Entfaltung stecken könntest. Also musst du dich deiner Angst vor Kritik und Ablehnung, der du ausgesetzt wärst, wenn du dein Ding machen würdest, nicht stellen. Du profitierst davon, ein Opfer zu sein, weil du dadurch vor deinen Ängsten davolaufen und deine wahren Wünsche und Sehnsüchte weiterhin verstecken kannst. Lieber stundenlang am Telefon irgendwelchen Geschichten zuhören, als deine eigenen Interessen zu verfolgen!
Das waren nur zwei Beispiele – es gibt noch unzählige andere Muster, Konstellationen und Gründe dafür, warum wir leichte Opfer für Energievampire abgeben und uns nur allzu gern aussaugen lassen. Vielleicht lässt du dich von deinen Kindern ständig bei der Arbeit unterbrechen, weil du das Bild einer stets bereiten und fürsorglichen Mutter in dir trägst. Vielleicht lässt du dir in deinem Job immer wieder Aufgaben aufbrummen, die du nicht magst, weil du Konflikte scheust und nicht offen und ehrlich sagen magst, dass du keine Lust auf diese Aufgaben hast. Vielleicht hörst du deiner Freundin seit Jahren geduldig zu, wenn sie von ihren ewig gleichen Beziehungsproblemen redet, weil du Angst davor hast, die Freundschaft aufs Spiel zu setzen und keine neuen Freunde zu finden.
Frage dich ehrlich und aufrichtig.
Hand aufs Herz.
WARUM HÄLTST DU DEN HALS HIN?
2. Identifiziere Energievampire
Eigentlich ist es ganz einfach:
Nach einer nichtvampirischen Begegnung haben beide im Idealfall mehr Energie, zumindest aber gleich viel wie vorher.
Nach einer vampirischen Begegnung hat der Vampir mehr Energie und sein Opfer weniger als zuvor.
Du kennst das vielleicht: Nach einem Gespräch mit einer guten Freundin oder einem netten Kollegen fühlst du dich fast ein bisschen high, so als wären dir kleine Flügel gewachsen. Alles geht plötzlich ein wenig leichter – die Welt lächelt dir zu und du lächelst zurück.
Nun kann es natürlich sein, dass dieselbe Freundin oder der Kollege dir ein andermal von ihren Problemen erzählen, und du nur zuhörst und für sie da bist. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass du dich von ihnen aussaugen lässt. Gibt es ein stabiles Fundament für die Beziehung und sind Geben und Nehmen im Allgemeinen – also auf lange Zeit gesehen – ausgeglichen, dann kann es dir sogar Energie geben und sehr erfüllend sein, für jemanden da zu sein, den du gern hast.
Wenn es sich bei deinem Gegenüber jedoch um jemanden handelt,
~ den du kaum kennst und der dir Dinge erzählt, die du niemals wissen wolltest
~ der immer wieder von den gleichen Problemen und Schwierigkeiten redet, ohne Lösungen finden zu wollen
~ der ganz schnell das Interesse an eurem Gespräch verliert, wenn du den Spieß umdrehst und über DICH und DEINE Themen sprichst,
dann handelt es sich garantiert um einen Energievampir.
Jetzt bist du an der Reihe:
~ Schreib eine Liste all jener FreundInnen, KollegInnen und Bekannten, bei denen Geben und Nehmen ausgeglichen sind, und bei denen du im Allgemeinen nach einer Begegnung mehr oder zumindest gleich viel Energie hast wie davor.
~ Nun schreibst du eine Liste all jener Menschen, die dich aussaugen und dir Energie rauben. Manche Menschen kannst du vielleicht sofort aus deinem Leben verbannen. Bei anderen wirst du nach Wegen suchen müssen, anders – besser – mit ihnen umzugehen (siehe Punkt 3.)
Und was, wenn du dadurch Freundschaften verlierst? Wenn Menschen, Dinge und Gewohnheiten und aus deinem Leben verschwinden?
Ich sage dir: Das ist nicht das Problem.
Das ist die Lösung!
Denn auch wenn es zunächst beängstigend sein mag: Dadurch entstehen Raum und Zeit für neue Beziehungen, die dir Energie GEBEN statt dir welche zu rauben.
3. Leg dir Strategien gegen Energievampire zurecht
Nachdem du deine Muster erkannt und Energievampire identifiziert hast, ist dieser dritte Schritt ziemlich einfach. Ich habe für mich ein paar wirkungsvolle Methoden gefunden – lass dich davon inspirieren! Und vielleicht findest du ja auch deine ganz eigenen Vampirabwehrstrategien 🙂
Installiere eine innere Alarmglocke
Ich habe mir eine innere Sirene zugelegt. Immer, wenn ich spüre, dass ein Vampir gerade zum Biss ansetzt, beginnt in meinem Kopf ein rotes Licht zu pulsieren und in roter Schrift leuchtet das Wort VAMPIR auf. Das versetzt mich sofort in Alarmbereitschaft, um meine Grenzen zu schützen und meinen Hals vor unliebsamen Bissspuren zu bewahren.
Achte auf deine Körperhaltung
Was signalisierst du? Sind deine Körperhaltung und dein Lächeln offen und laden den Vampir auf ein blutiges kleinesFrühstück ein?
Dann ändere deine Haltung und deine Körpersprache: Richte dich auf, verwurzle deine Füße fest am Boden, verschränke die Arme vor der Brust, zieh dein Kinn leicht zur Kehle heran und demontiere das Lächeln von deinem Gesicht – oder lass es zumindest um 50% weniger freundlich und offen strahlen.
Unterbrich den Vampir und sprich von dir!
Wie bereits erwähnt ist es ungemein effektiv, dem Vampir und seinen Geschichten die Aufmerksamkeit zu entziehen. Erzähl von dir, lass dich richtig in Fahrt kommen, mach dir einen Spaß daraus und plaudere drauflos! Wenn es sich um einen echten Energievampir gehandelt hat, wird er in Nullkommanichts von der Bildfläche verschwinden.
Wenn ich in einem Gespräch merke, dass mir die Zeit davon läuft, mein Gegenüber aber so richtig im Redefluss ist und nicht mal mehr Luft holt, dann schaue ich auf die Uhr und sage: „Was, schon so spät? Jetzt will ich dich aber wirklich nicht länger aufhalten!“
Klappt manchmal ganz gut und lässt mich mit einem innerlichen verschmitzten Lächeln zurück….
Atme tief durch und verbinde dich mit deiner Mitte
Wenn du weißt, dass eine Begegnung mit einem Menschen bevorsteht, der vampirische Tendenzen hat, nimm dir zuvor kurz Zeit, atme dreimal tief durch, erde dich und verbinde dich mit deiner starken Mitte. Das hilft dir, die Energie nach Innen zu ziehen und schneller zu spüren, wenn jemand beginnt, dich auszusaugen.
Du kannst es dir auch zur Gewohnheit machen, dreimal tief durchzuatmen, bevor du am Telefon abhebst. Willst du mit dieser Person überhaupt gerade sprechen? Hast du Zeit und Energie dafür? Wäre es besser, später zurückzurufen? Oder, falls du doch abhebst: Wie viel Zeit möchtest du in das Telefonat investieren?
Schütze dein Energiefeld
Energievampire haben viel weniger Chancen, überhaupt in Bissweite zu kommen, wenn du regelmäßig dein Energiefeld reinigst, aufbaust und schützt.
Dabei kann dir diese Übung helfen: Die Aura aufladen.
Oder du probierst es mit dieser Übung – du kannst sie jederzeit so abwandeln, dass sie gut für dich passt!
- Visualisiere, wie du Energie ausstrahlst, und zwar einen knappen Meter in alle Richtungen, also auch nach unten und nach oben und nach hinten.
- Stell dir den Rand von diesem „Energie-Ei“ vor. Falls sich irgendwo Lücken oder Löcher bemerkbar machen, schließe sie durch deine Vorstellunskraft.
- Stell dir nun vor, wie ein Energievampir – das kann ein bestimmter Mensch sein oder ein symbolischer – auf dich zukommt und an der Grenze deines Energie-Eis abprallt. Vielleicht möchtest du dir auch eine ganze Kolonne Energievampire vorstellen, die chancenlos an deinem Ei vorbeitrotten!
Mach dir bewusst, dass es sich bei den Grenzen deines Energiefeldes nicht um eine starre, undurchdringliche Mauer handelt. Es geht nicht darum, dich gegen alles und jeden abzuschotten. Es geht ausschließlich darum, dich vor Menschen und Dingen zu schützen, die dir Energie rauben. Du kannst frei wählen: Wen oder was lässt du in dein Feld – und wer oder was bleibt besser draußen?
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