Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen

Wie du deine Energie bündelst und dich aufs Wesentliche konzentrierst

Ratatatatatata! Eine Bekannte erwähnt beiläufig, dass sie auf der Suche nach einer vorübergehenden Bleibe in Österreich ist, bevor sie wieder ins Ausland geht. Es macht nicht den Eindruck, als wäre es besonders dringend. Es macht nicht den Eindruck, als wäre sie verzweifelt. Es macht nicht den Eindruck, als könnte sie sich nicht selbst helfen.

Dennoch springt in meinem Kopf sofort ein Motor an. Ratatatatata, kenne ich irgendjemanden, der gerade auszieht? Ratatatatata, kenne ich irgendjemanden, der irgendjemanden kennt, der seine Wohnung über airbnb vermietet? Ratatatatata, welche meiner Netzwerke, Plattformen und Kontakte könnte ich nutzen, um meine Bekannte zu unterstützen? Und schon sehe ich mich Mails und whatsapp-Nachrichten schreiben, auf facebook posten, einen Zettel in der yogalounge aufhängen, FreundInnen anrufen, … und all das.

Zum Glück habe ich eine innere Stimme installiert, die bei solchen Gelegenheiten laut STOOOOOOPPPPP! ruft. STOOOOOPPP, Layaki, STOP IT! Du weißt und kannst es längst besser!

Ja, ich weiß inzwischen, dass ich nicht die Geschäftsführerin des Universums bin und auch nicht sein muss. Ich weiß inzwischen, dass es schön ist, andere zu unterstützen – aber dass es nicht schön ist, mich ständig verzettelt und zerfranst zu fühlen und keine Zeit und Energie für meine ureigensten, zentralen Lebensaufgaben zu haben. Ich weiß inzwischen auch, dass es leicht gehen darf. Wenn sich etwas wie von selbst fügt (und das tut es sehr oft) – wunderbar. Wenn ich gerade von einer freiwerdenden Wohnung gehört habe – perfekt. Dann werde ich meinen Beitrag leisten, den Kontakt herstellen – und alles Weitere der kosmischen Intelligenz überlassen.

Ich darf darauf vertrauen, dass es ein großes, tragfähiges, eng geknüpftes Netz gibt, das uns alle verbindet. Eines, das uns auffängt, wenn wir mal den Halt verlieren. Dieses Netz besteht aus vielen Fäden, Knoten und Beziehungen. Es hält von selbst – auch ohne, dass ich krampfhaft alle Fäden in der Hand zu halten oder das gesamte Netz auf meinen Schultern zu tragen versuche.

„Nicht mein Zirkus, nicht meine Affen!“ Das ist eines meiner Lieblingsmantras. {Es stammt aus Polen – aber gefunden habe ich es in dem herrlich ermutigenden Buch Göttinnen altern nicht von Christine Northrup}.

Denn nicht alles ist mein Zirkus. Nicht jeder herumstreunende Affe muss von mir eingefangen werden. Würden wir uns alle um unsere eigenen Zirkusse kümmern, anstatt uns mit denen der anderen zu beschäftigen, dann würden gar nicht so viele Affen unbeaufsichtigt herumlaufen und Unfug treiben. Dann hätten wir auch viel mehr Energie und Zeit, um uns gegenseitig zu unterstützen, wenn wirklich mal jemand Hilfe braucht oder ein Affenchaos ausbricht, das eine(r) allein nicht bändigen kann.

Hilfsbereit sein, wenn jemand Hilfe braucht und vor allem will: gut.

Vorauseilende Hilfestellungen, gut gemeinte Rat-Schläge und Verantwortung für etwas übernehmen, das nicht dein Business ist: nicht gut.

Welcher Zirkus-Typ bist du?

Typ 1: Die Managerin des Universums

Als ich mein erstes Retreat am Stierbauerhof hielt, habe ich mich ständig in die Zimmervergabe eingemischt. Ich habe versucht, die Fäden zu ziehen, die besten Kombinationen heraus- und für alle die optimale Lösung zu finden, ich habe mir schon vorab den Kopf darüber zerbrochen, wer mit wem Fahrgemeinschaften bilden könnte, und so weiter. Tja, was soll ich sagen – ich habe den Stierbäurinnen damit ordentlich ins Handwerk gepfuscht und alles furchtbar verkompliziert. Gefühlte hundert Anrufe und Mails waren nötig, um die Dinge wieder geradezurücken.

Im Jahr darauf habe ich mich (frau ist ja lernfähig) schön herausgehalten aus der Zimmervergabe und mich auf die Inhalte des Retreats (und damit auf meine eigentliche Arbeit) konzentriert. Es klappte wie am Schnürchen, die wunderbare Helga hat alles tiptop gemanagt (das ist ihr Job), und alle waren rundherum zufrieden.

Das Universum braucht keine Managerin – es managt sich selbst. Wenn etwas eine kompetente Managerin braucht, dann ist es DEIN Leben!

Typ 2: Die Mutter der Nation

Ich erinnere mich an die erste Weihnachtsfeier, die wir in der yogalounge veranstalteten. Wir hatten damals unser erweitertes Netzwerk eingeladen und darum gebeten, dass jede/r eine Kleinigkeit zum Essen oder Trinken mitnimmt. Eine KLEINIGKEIT.

Und wir staunten nicht schlecht, als plötzlich eine Frau, die nur ganz lose mit der yogalounge in Verbindung stand, mit mehreren Keksdosen, Torten, Aufstrichen und Weinflaschen bepackt in der Tür stand. „Ich würde fuuurchtbar gern mit euch feiern, wenn ich nicht toootaaal verkühlt wäre“, verkündete sie mit Schnupfenstimme. „Aber ich dachte, ich bringe trotzdem eine KLEINIGKEIT vorbei und verschwinde gleich wieder, um mich zuhause auszukurieren. “

Dieser Auftritt war ein wenig befremdlich – und gleichzeitig vertraut für mich. Denn früher war ich genauso. Ich litt unter chronischer Kümmeritis. Es fühlte sich irgendwie gut an, tonnenweise Kuchen zu Kindergeburtstagsfeiern anzuschleppen, es war irgendwie befriedigend, meinem Sohn das Marmeladebrot zu streichen, obwohl er das längst selbst gekonnt hätte, es erfüllte mich irgendwie, für andere Bücher durch die Gegend zu tragen, CDs zu brennen, oder Yogamatten her- und wegzuräumen.

Aber weißt du was? Es ist das EGO, für das sich das alles gut anfühlt. Das EGO liebt das Gefühl, dass wir gebraucht werden – vielleicht sogar, dass andere abhängig von uns sind. Das EGO fühlt sich geschmeichelt, wenn wir Anerkennung dafür bekommen, dass wir so großzügig sind und so viel geben.

Aber wenn wir ständig alle anderen bemuttern, dann haben wir erstens irgendwann keine Kraft mehr, um uns selbst Fürsorge zu schenken, und zweitens nehmen wir anderen die Chance, Verantwortung für sich und ihr Wohlergehen zu übernehmen.

Die Mutter der Nation zu sein und uns mehr um alle anderen als um uns selbst zu kümmern ist ein Ausdruck falsch verstandener Selbstlosigkeit. Im wahrsten Sinne des Wortes wollen wir uns selbst loswerden. Wir haben Angst und drücken uns davor, uns um unsere eigenen Bedürfnisse und um unsere Berufung zu kümmern. Das ist nicht selbstlos, sondern hochgradig egoistisch!

{Es gibt allerdings, so vermute ich, Menschen, deren Berufung/Dharma es tatsächlich ist, Mutter der Nation zu sein. Sie brennen nicht aus, wenn sie sich mehr um andere kümmern als um sich selbst. Sie blühen darin auf, und es gibt ihnen tatsächlich Kraft und Energie – auch auf lange Sicht. Aber solche Menschen sind selten. Viele hingegen verstecken sich hinter einem von falscher Selbstlosigkeit verzerrten Selbstbild, oder sind verliebt in das Gefühl der Aufopferung.}

{Die männliche Variante der Mutter ist der MAKER ? Mein Liebster ist so einer. Kaum ist irgendwo ein Laptop defekt, eine Lampe kaputt oder ein Micro-Controller außer Kontrolle, lässt er alles stehen und liegen und KÜMMERT sich darum. Zumindest war das früher so. Zum Glück hat er eine Frau an seiner Seite, die ihn auf derlei Muster aufmerksam macht. Und zum Glück geht er selbstbewusst seinen eigenen Weg, wenn es um die Auflösung von solchen Mustern geht, und lässt sich NICHT von mir bemuttern ? }

Typ 3: Die Mega-Mitfühlende

Vergangenes Jahr knapp vor Weihnachten erreichte mich der Anruf meiner Freundin M. Als sie mir erzählte, dass ihr Sohn an einem Gehirntumor erkrankt war, wusste ich weder ein noch aus vor Mitgefühl. Sie tat mir so leid. Ich stellte mir vor, wie es wäre, wenn MEIN Sohn eine solche Diagnose bekäme. Ich fühlte mich so ohnmächtig. Ich wollte ihr so gern helfen. Ich hielt es nicht aus, einfach mit der Angst, dem Schmerz und der Hilflosigkeit zu SEIN. Ich wollte etwas TUN.

Also organisierte ich für M. eine Klangschalenmassage, damit sie sich zwischen all den Arzt- und Krankenhausterminen entspannen konnte. Ich stellte Kontakte zu HeilerInnen, HomöopathInnen und Hilfseinrichtungen her. Irgendwie spürte ich, dass das nicht die Hilfe war, die meine Freundin in ihrer Situation brauchte – im Gegenteil, es bereitete ihr zusätzlichen Stress. Aber um meine Hilflosigkeit nicht fühlen zu müssen, verfiel ich in blinden Aktionismus.

Alles ist gut ausgegangen (Danke, Leben!), der Tumor ist besiegt, meiner Freundin und ihrem Sohn geht es wieder bestens, und ich habe mir fest vorgenommen, mich bei ihr zu entschuldigen, wenn ich sie das nächste Mal sehe. Mein Mega-Mitgefühl hat mich dazu verleitet, ihr eine Art von Hilfe angedeihen zu lassen, die definitiv nicht hilfreich war.

Wahrhaft mitfühlend zu sein bedeutet, wahrzunehmen, was andere wirklich brauchen. Ihnen zuzutrauen, dass sie um Hilfe bitten, wenn sie welche benötigen. Oder sie einfühlsam zu fragen, ob und wie wir sie unterstützen können, statt sie mit unseren Hilfsangeboten zu überfordern, weil wir es nicht aushalten, uns hilflos zu fühlen.

Wo waren wir? Ach ja. Beim Zirkus. Und bei den Affen.

Was geschieht, wenn du dich für jeden Zirkus auf der Welt verantwortlich fühlst? Wenn du jedem fremden Affen nachläufst, der irgendwo da draußen herumturnt?

Dein eigener Zirkus ist verwaist. Deine eigenen Affen, Löwen und Elefanten verhungern und verwahrlosen.

Wirke dort, wo DEIN Platz ist. Kümmere dich um DEINEN Zirkus und um DEINE Affen. Und gib anderen die Chance, dasselbe zu tun!

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