5 machtvolle Worte: „Ich stehe nicht zur Verfügung“

Unmissverständliche Grenzen setzen

Eine Yogalehrerin schreibt einen bitterbösen Kommentar auf einen Blogbeitrag, in dem ich schildere, welche Tendenz ich in meinen Yogastunden beobachte. Mit dramatischen Worten wirft sie mir vor, unethisch zu handeln und das Vertrauen meiner Schülerinnen zu missbrauchen. Den Neid und die Missgunst hinter ihren Worten rieche ich hundert Meter gegen den Wind.

Ich antworte nicht, sondern lösche den Kommentar.

Ich stehe nicht zur Verfügung.

Jemand, den ich nicht einmal persönlich kenne, erwartet von mir, dass ich sein Angebot an meinen Verteiler, den ich über viele Jahre mit achtsamer Beziehungspflege und sorgsam aufbereiteten Inhalten aufgebaut habe, weiterleite.

Ich leite das Angebot nicht weiter.

Ich stehe nicht zur Verfügung.

Mein Vater erzählt mir von einem alten Familienstreit, der bei einer Feier, die er besucht hat, beinahe zu einem Eklat geführt hätte.

Ich sage einen knappen Satz dazu und wechsle dann das Thema.

Ich stehe nicht zur Verfügung.

Herr Sohn will sich mein Ladekabel ausleihen, weil er zu bequem ist, sein eigenes unter den Bergen schmutziger Wäsche, leerer Colaflaschen und zerfledderter Schulhefte, die sich in seinem Zimmer türmen, zu suchen.

Ich borge ihm das Kabel nicht. (Vor allem, weil ich weiß, dass ich es mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mehr zurückbekommen werde, mir dann selbst ein neues kaufen muss, dass ich dann wieder herborge … undsoweiter 🙂 )

Ich stehe nicht zur Verfügung.

Eine Freundin wirft mir vor, ich würde ihre facebook-Postings weniger oft liken und teilen als die von anderen. Sie hätte sich mehr Unterstützung von mir erwartet, sagt sie.

Ich rechtfertige mich weder noch gehe ich auf ihre Vorwürfe ein.

Ich stehe nicht zur Verfügung.

Vor nicht allzu langer Zeit war das noch anders. Ich war eine Automatic Yes Machine und chronisch an Kümmeritis erkrankt. So lange, bis ich mich leer, ausgebrannt und ausgenutzt fühlte. Und bis mir nach und nach bewusst wurde, dass ich mir selbst nicht mehr zur Verfügung stehe, wenn ich immer für andere da bin.

„Möge ich ein Bett sein, wenn jemand müde wird“, sagte einst ein buddhistischer Lama. Aber erstens bin ich kein erleuchteter Meister. Und zweitens sind Sätze wie dieser sehr, sehr gefährlich, wenn man sie missversteht.

Was andere von dir wollen oder erwarten ist oft etwas ganz anderes als das, was sie wirklich brauchen.

Wenn sich nämlich jemand in dein frischgemachtes Bett legen möchte, weil er zu bequem ist, seine eigene Bettdecke neu zu überziehen, dann braucht er nicht dein Entgegenkommen, sondern einen klaren Hinweis darauf, was in seiner Verantwortung liegt und was in deiner.

Natürlich sind jene Menschen, die zu viel von dir erwarten, die dich in ihre Dramen hineinziehen oder mit Schuldzuweisungen manipulieren wollen, weder böse noch schlecht. Auch sie möchten – so wie wir alle – einfach glücklich und frei sein.

Aber sie versuchen ihr Ziel auf eine falsche Weise zu erreichen. Sie wollen, dass jemand anderer – nämlich du – sie glücklich und frei macht. Sie geben die Verantwortung für ihr Leben ab. Und indem du ihre Erwartungen erfüllst und Verantwortung für etwas übernimmst, das nicht zu dir gehört, verhinderst du, dass sie ihre Entwicklungsaufgaben meistern.

Wenn du immer allen zur Verfügung stehst, hinderst du sie daran, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Früher habe ich einer Freundin immer wieder Geld geliehen und sie in meiner Wohnung wohnen lassen, weil sie es trotz bester Voraussetzungen nicht geschafft hat, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Heute weiß ich, dass ich ihr damit nichts Gutes getan habe – denn ich habe verhindert, dass sie in ihre Kraft kommen und selbst für sich sorgen konnte.

Umgekehrt bitte ich meinen Liebsten immer wieder, nicht allzu verständnisvoll zu sein, mich nicht zu bemitleiden und mir auch keine Haushaltspflichten abzunehmen, wenn ich mich wieder einmal heillos mit neuen Projekten überfordert habe, für die ich eigentlich keine Ressourcen habe. Denn damit verhindert er, dass ich die Konsequenzen meines Verhaltens wirklich zu spüren bekomme und lerne, meine Kraft-, Zeit- und Energiereserven realistischer einzuschätzen.

Vor einigen Jahren besuchte ich eine mehrwöchige Ausbildung in Berlin und nutze die Gelegenheit, eine erfolgreiche deutsche Bloggerin um ein Interview zu bitten. Sie sagte zu, doch dann gestaltete sich die Terminfindung schwierig, weil ich während meiner Ausbildung nur einen Mini-Zeitslot zur Verfügung hatte. Nach einigen hin- und hergehenden Mails antwortete sie nicht mehr. Damals nahm ich ihr das übel und hielt sie für eingebildet. Heute bin ich ihr dankbar, weil ich begriffen habe, dass sie ihre Grenzen gewahrt, ihre kostbare Zeit geschützt und mir vor Augen geführt hat, dass man neben einer Fulltime-Ausbildung keinen Fulltime-Job als Journalistin machen kann.

„Ich stehe nicht zur Verfügung“ – wenn wir lernen, diese fünf machtvollen Worte in uns zu spüren oder sogar deutlich auszusprechen, gewinnt unser Leben enorm an Klarheit und Energie.

Aber ich muss zugeben: Einfach ist es nicht, aus dem „Ich-bin-immer-und-jederzeit-für-alle-da“-Muster auszusteigen. Warum? Weil wir dazu dieses Muster an der Wurzel packen müssen. Und an der Wurzel sitzt die Angst.

Hinter jeder „disease to please“ stecken unbewusste Ängste.

Aber das macht nichts. Denn wenn wir unsere Ängste ans Licht des Bewusstseins holen, können wir sie erkennen und auflösen.

Angst #1: Du befürchtest, herzlos zu sein, wenn du nicht jederzeit jedem Menschen zur Verfügung stehst.

Erkenntnis:

Erstens lehnst du nicht diese Menschen selbst ab, sondern bist nur nicht bereit, all ihre Erwartungen zu erfüllen oder toxisches Verhalten zu akzeptieren.

Zweitens ist es herzlos dir selbst gegenüber, jede Bequemlichkeit, jedes mangelnde Verantwortungsbewusstsein, jede übertriebene Kompliziertheit und jedes nach Streicheleinheiten lechzende Ego anderer Menschen zu kompensieren. Denn dann hast du keine Zeit und keine Energie mehr für deine zentralen Lebensaufgaben –  welche auch immer das für dich sein mögen. Und damit beraubst du nicht nur dich selbst, sondern auch andere um das, was du WIRKLICH zu geben hast.

Angst #2: Du befürchtest, Menschen zu verlieren, wenn du nicht alle Erwartungen erfüllst, die andere an dich haben.

Erkenntnis:

Ja, manche Menschen werden aus deinem Leben verschwinden, wenn du aufhörst, ihnen Dinge abzunehmen, die in ihrer Verantwortung liegen. Manche Menschen werden von dir enttäuscht sein und sich von dir abwenden, wenn du nicht tust, was sie von dir erwarten.

Aber ich verrate dir ein Geheimnis: Das ist nicht das Problem, sondern die Lösung! Denn wenn diese Menschen sich von dir zurückziehen, hast du erstens mehr Zeit und Kraft für dich selbst und deine Bedürfnisse, und zweitens entsteht Raum für neue Menschen.

Und da du mehr Klarheit entwickelt und deine Standards angehoben hast, wirst du Menschen anziehen, die selbst Verantwortung für ihr Leben übernehmen, und die es nicht nötig haben, ihr Ego von dir aufpolieren zu lassen.

Es kann aber sogar sein, dass die Menschen, die sich von dir enttäuscht fühlen, dir irgendwann dankbar dafür sind, dass du sie auf einen blinden Fleck hingewiesen hast, und mit einer neuen inneren Haltung zurückkehren. Gut möglich, dass du sie mit deinem Vorbild inspiriert hast, selbst mehr Klarheit und Mut zum Eigenen entwickeln. Lass dich überraschen!

Angst #3: Du befürchtest, deine Identität zu verlieren – und dein Selbstbild von einem hilfsbereiten, freundlichen und stets zur Verfügung stehenden Menschen aufgeben zu müssen.

Erkenntnis:

Kaum etwas ist energieraubender als ein falsches Selbstbild. Kaum etwas schwächt uns so sehr, wie ein „guter Mensch“ sein zu wollen und dieses „gut sein“ mit immerwährender Freundlichkeit zu verwechseln –  oder damit, ein Brei aus Zugeständnissen zu sein.

Aufrichtig zu unseren eigenen Grenzen zu stehen macht uns zu klaren und starken Menschen. Die Beschränktheit unserer Zeit und Energie anzuerkennen bedeutet, erwachsen zu werden, bewusste Prioritäten zu setzen und Verantwortung dafür zu übernehmen, womit wir unsere Lebenszeit füllen.

Es gibt noch zahlreiche andere Ängste, die hinter der disease to please stecken können. Zum Beispiel die, nicht mehr geliebt zu werden oder irgendwann isoliert und ohne Hilfe dazustehen. Oder als egoistisch empfunden zu werden. Oder die Angst davor, uns wirklich uns selbst und unseren zentralen Aufgaben zu widmen, wenn wir nicht mehr wie ein leeres Blatt Papier sind, auf das jeder etwas schreiben kann, der unseren Weg kreuzt.

Aber nur du selbst und niemand sonst sollte die Geschichte deines Lebens schreiben – Kapitel für Kapitel, Absatz für Absatz, Zeile für Zeile, Wort für Wort.

„Sich selbst betrügen ist von allem das Schlimmste.“ Sokrates

Es ist DEINE Geschichte. Wenn du sie dir von anderen diktieren lässt, wirst du dich darin nicht wiederfinden. Und das wäre sehr, sehr schade.

Titelfoto: Isaiah Rustad on Unsplash

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