Frauen und Essen: Das ewige Thema

Frauen und Essen

Es gab eine Zeit, in der drehten sich meine Gedanken fast den ganzen Tag lang ums Essen. 

Es gab eine Zeit, in der war Essen meine einzige Strategie, um mich zu belohnen,  mir Gutes zu tun, meine Erschöpfung zu überwinden und mein völlig überfordertes Nervensystem zu beruhigen. 

Es gab eine Zeit, in der habe ich hauptsächlich gegessen, um die Wucht meiner Gefühle nicht spüren zu müssen. 

Es gab eine Zeit, in der ich abends, wenn mein Baby endlich für ein paar Stunden schlief, auf dem Sofa saß und aß, mich schämte, noch mehr aß, mich noch mehr schämte, und so weiter, bis ich irgendwann erschöpft und voller Selbsthass einschlief – mit dem festen Vorsatz, dass ab dem nächsten Tag alles anders werden und ich meine Selbstachtung zurückgewinnen würde. 

Aber natürlich wiederholte sich all das auch am nächsten Tag, und am nächsten, und am nächsten. 

Irgendwann nahm ich all meinen Mut zusammen, setzte mich an meinen Küchentisch, und schrieb in mein Tagebuch: „Ich habe eine Essstörung.“ 

Damit war der Bann gebrochen (name it to tame it! ). Ich vereinbarte einen Termin mit einer Therapeutin – und damit begann eine lange Reise. Eine Reise, die viel weniger mit Essen und Ernährung zu tun hatte als mit Selbstliebe, mit der Bereitschaft, fühlen zu lernen, und dem Mut, meine tiefsten Sehnsüchte und Bedürfnisse nicht mehr mit Pasta, Keksen und Chips zu betäuben. 

Der Weg aus der Scham-Spirale

Ich bin keine Ernährungsberaterin und auch keine Therapeutin. „Expertin“ für das Thema Frauen und Essen bin ich nur insofern, als ich in meinen frühen 30ern an „Binge Eating Disorder“ gelitten und mich mindestens ein Jahrzehnt lang intensiv damit auseinandergesetzt habe, wie wir aus der qualvollen Spirale aus Scham,  Selbstverurteilung und Körperhass aussteigen können –  indem wir lernen, zu FÜHLEN und uns selbst und unseren Körper zu lieben.

Viele meiner Coaching-Klientinnen sind noch in dieser Spirale gefangen. Als wäre das nicht schon schmerzhaft genug, schießen sie einen zweiten Pfeil auf sich, indem sie glauben, sie müssten das Thema Essen doch eigentlich längst im Griff haben. Sie denken, ihre schwierige Beziehung zum Essen sei ein Ausdruck mangelnder Selbstdisziplin, anstatt zu erkennen, dass die Ursachen oft in gesellschaftlichen Verhältnissen und unseren Lebensumständen liegen. Diesen größeren Kontext müssen wir verstehen, wenn wir unsere Beziehung zum Essen heilen wollen. 

Heute esse ich gern, entspannt und mit Genuss – aber das Thema beschäftigt mich nicht mehr großartig. Wie viel mentale Energie dadurch für viel interessantere Dinge frei wird, ist einfach genial! 

Deshalb möchte ich hier ein paar Dinge mit dir teilen, die mir sehr geholfen haben, aus der Scham-Spirale und der ständigen Beschäftigung mit dem Essen auszusteigen, und die sich auch für meine Klientinnen als hilfreich erwiesen haben.  

Bevor wir loslegen, ist es mir wichtig, eines ganz klar zu stellen: Der einzige Weg, eine entspannte Beziehung zum Essen und eine liebevolle Beziehung zu deinem Körper zu entwickeln, ist, herauszufinden, was für DICH funktioniert. Lass dich also gerne inspirieren – und dann entwickle Neugier und Forschergeist, experimentiere und lerne dich und deine Bedürfnisse immer besser kennen! DU bist Expertin für dich, dein Leben, deinen Körper. Beanspruche dieses Expertentum für dich, überlass es niemand anderem – auch nicht mir 😉

# 1 Entziehe dem Thema Essen die Aufmerksamkeit

Ich will so gerne erzählen. Wieder und wieder. Davon, wie furchtbar meine Ess-Anfälle sind. Ich will, dass jemand anderer erfährt, welche Unmengen an Lebensmitteln ich in mich hineinstopfe. Ich will die Reaktion darauf sehen. Ich will Bestätigung dafür, wie schrecklich das alles ist.

Ein paar Sitzungen lang lässt meine Therapeutin mich gewähren, gibt meinen Schilderungen Raum. 

Dann stellt sie ein klares Stopp-Schild auf: Ab sofort wird nicht mehr über die Ess-Anfälle gesprochen. Das Essen sei nämlich nicht das wahre Problem, meint sie. Worum es ginge, sei die Beziehung zu mir selbst;  Selbstliebe und Selbstfürsorge seien das Thema. 

Ich erinnere mich, dass ich damals empört war. Hey, schließlich war ich wegen meiner Essstörung in Therapie gegangen, schließlich zahlte ich für die Sitzungen, und schließlich waren es meine Binge Eating Anfälle, die mich so sehr quälten! 

Heute bin ich meiner Therapeutin unendlich dankbar für ihre Klarheit – und dafür, dass sie mir diese deutliche Grenze gesetzt hat. Jetzt, wo ich selbst als Coach und Mentorin mit hunderten Frauen arbeite, verstehe ich, wie wichtig das war. 

Das Essverhalten ist niemals das Problem, sondern nur ein Symptom. Indem wir uns ständig damit beschäftigen, lenken wir uns vom eigentlichen Thema ab. Und da Energie immer der Aufmerksamkeit folgt, nimmt das Thema Essen immer mehr Raum ein, wird größer und größer. Umso schwieriger wird es, unser Verhalten zu ändern.

Klingt paradox, ist aber wahr: Je weniger wir unser Essverhalten ändern wollen und uns stattdessen den Ursachen zuwenden, desto größer ist die Chance, dass sich etwas ändert.

#2 Verurteile dich nie, nie, niemals für dein Essverhalten

„Du hast es wieder nicht geschafft. Was bist du nur für ein Schwächling! Alle anderen bekommen das auf die Reihe, nur du nicht.“

Noch heute tut es mir weh, wie lieblos ich mich früher für mein Essverhalten verurteilt habe. Jedes Mal, wenn ich einer Versuchung nicht widerstehen konnte, jedes Mal, wenn ich aus emotionaler Hilflosigkeit, Überforderung, Stress oder Übermüdung heraus aß, ging ich danach hart mit mir ins Gericht.  

Aber Selbstverurteilung hat noch nie zu nachhaltiger Veränderung geführt. 

Stattdessen können wir eine Haltung liebevoller Neugier entwickeln und erforschen, was denn zu einem bestimmten Essverhalten geführt hat, wie bestimmte Situationen (oder Menschen) es beeinflussen, ob es etwas mit Schlaf, Menstruationszyklus, Jahreszeit zu tun hat, und so weiter.

Wenn es uns gelingt, das Urteil rauszunehmen – dieses Essverhalten ist richtig und jenes ist falsch, dieses ist gesund und jenes ist ungesund – dann ist bereits viel gewonnen. Die emotionale Ladung verringert sich, und Scham und Schulgefühle verlieren ihren Grip. 

# 3 Lerne, dein Essverhalten zu verstehen

Wenn meine Coaching-Klientinnen sich für unfähig oder willensschwach halten, weil sie kalorienreichen Versuchungen nicht widerstehen können, versuche ich, ihnen die größeren Zusammenhänge zu erklären. 

Erstens: Wir sind erst die zweite Generation, die mit einem Übermaß an Nahrungsangebot konfrontiert ist. Als Menschen sind wir so programmiert, dass wir möglichst schnell möglichst viel Nahrung aufnehmen, wenn sie vorhanden ist – denn früher war das ja nicht selbstverständlich. Wir sind also auch eine der ersten Generationen von Menschen, die sich aktiv regulieren und zur Mäßigung zwingen müssen, um sich nicht regelmäßig völlig zu überessen. 

Ganz klar, dass besonders in Situationen, in denen wir gestresst sind oder unser Nervensystem außer Rand und Band gerät, die älteren Gehirnteile das Kommando übernehmen und uns dazu bringen, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu uns zu nehmen – Disziplin und Wille schauen gegen diese uralten Programmierungen ziemlich blass aus. 

Zweitens: Viel Fett und Zucker zu sich zu nehmen ist eine Strategie unseres Körpers, schädliche Stress-Hormone abzubauen. Es gibt auch andere Strategien, wie zum Beispiel Bewegung oder Entspannung – aber sie stehen nicht immer zur Verfügung und wirken oft auch nicht so schnell. Dass uns in (oder nach) Stress-Situationen besonders oft der Heißhunger packt, ist also eine durchaus intelligente Reaktion des Körpers! Statt dich dafür zu verurteilen, kannst du dich bei deinem Körper bedanken und ihn unterstützen, indem du andere Strategien findest, um Stress abzubauen oder gar nicht erst in diesem Ausmaß entstehen zu lassen. 

Drittens: Unser hektischer, leistungsorientierter Alltag ist völlig abgekoppelt von der zyklischen Natur des Lebens. Zum Beispiel wird am Arbeitsplatz kaum auf unseren Menstruationszyklus Rücksicht genommen, oder wir müssen zu Tageszeiten essen, die überhaupt nicht unserem individuellen Verdauungsrhythmus entsprechen. Dass dadurch unser natürliches Gefühl für Hunger und Sättigung und für die verschiedenen Phasen unserer eigenen zyklischen Natur verloren geht, ist klar. So verlieren wir auch das Gefühl für den richtigen Zeitpunkt und das richtige Maß – und verlernen,  intuitiv gesund und maßvoll zu essen. 

In unnatürlichen, teils sogar „kranken“ Verhältnissen ein natürlich gesundes Essverhalten an den Tag legen zu wollen, ist also ganz schön viel verlangt. 

Bitte versteh die Hintergründe – und sei mitfühlend mit dir selbst.

„It is no measure of health to be well adjusted to a profoundly sick society.“Krishnamurti

# 4 Fühlen, fühlen, fühlen

Wie oft missbrauchen wir Essen, um nicht fühlen zu müssen? Um unsere Angst, unsere Traurigkeit, unsere Erschöpfung, unsere Wut, unsere Einsamkeit nicht zu spüren? 

Für viele Frauen lautet die Antwort: SEHR oft. 

Und auch das ist kein Wunder: Die meisten von uns haben nie gelernt, zu fühlen. 

Es ist auch nicht ganz einfach. Manche Gefühle sind einfach nur Bäääääh, kein Wunder, dass wir sie am liebsten weghaben wollen. 

Gleichzeitig sind Gefühle immer auch HINWEISE. Wenn wir sie unterdrücken, indem wir essen, können wir diese Hinweise nicht wahrnehmen und verstehen.

Wenn wir also lernen, zu fühlen, müssen wir nicht nur weniger oft zu Keksen & Co greifen, sondern es geschieht etwas noch viel Besseres: Wir erkennen, was unsere Gefühle uns sagen wollen. Zum Beispiel, was nicht (mehr) passt, und wo es etwas zu verändern gilt. Oder welche limitierenden Glaubenssätze wir in uns tragen. Und damit steht einem immer authentischeren und befreiten Leben nichts mehr im Wege! 

WENN WIR LERNEN ZU FÜHLEN, MÜSSEN WIR WENIGER OFT ZU KEKSEN & CO GREIFEN. 

UND WAS NOCH BESSER IST: WIR VERSTEHEN DIE BOTSCHAFT UNSERER GEFÜHLE, UND KÖNNEN IMMER AUTHENTISCHER LEBEN. 

# 5 Du musst nicht warten, bis du schlank geworden bist

„Wenn ich erst mal 10 Kilo abgenommen habe, dann werde ich meinen Körper lieben. Wenn ich endlich das Essen im Griff habe, werde ich mich nicht mehr kritisieren.

Typischer Fall von Arrival Fallacy. Der Weg geht genau umgekehrt: Du kannst JETZT schon deinen Körper lieben, auch wenn er keine Modelmaße hast. Du kannst JETZT aufhören, dich zu kritisieren, auch wenn du Ess-Anfälle hast oder in Stress-Momenten zu kalorienreichen Snacks greifst. 

Je liebevoller du zu dir selbst bist, desto weniger musst du Essen benutzen, um dich zu belohnen, dich geborgen oder genährt zu fühlen.

Deinen seelischen Hunger wird Essen sowieso nie stillen. 

Je besser du verstehst, wonach du dich wirklich sehnst, und je mehr du dieser Sehnsucht folgst, desto weniger groß wird die Rolle sein, die Essen in deinem Leben spielt.

Es sei denn, du bist zum Foodie berufen, zur Köchin oder Ernährungswissenschafterin – aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte 😉

“You are not a mistake. You are not a problem to be solved. But you won’t discover this until you are willing to stop banging your head against the wall of shaming and caging and fearing yourself.”Geneen Roth

Buchtipps und Ressourcen:

  • Dr. Susan Albers: Eating Mindfully. How to End Mindless Eating and Enjoy a Balanced Relationship with Food
  • Geneen Roth: Women Food and God: An Unexpected Path to Almost Everything
  • Anita Johnston: Die Frau, die im Mondlicht aß. Ess-Störungen überwinden durch die Weisheit uralter Märchen und Mythen

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