Von Bäh zu Yeah: The Magic of Journaling

Warum Schreiben wirkt

Zehn Zwerge sitzen um einen Tisch. Jeder von ihnen hat eine leckere Mahlzeit vor sich stehen. 

Feiern sie ein Fest? Sind sie ausgelassen? Lachen und trinken sie miteinander? 

Nein. 

Jeder einzelne Zwerg lässt seinen Kopf und seine Schultern hängen, und murmelt deprimiert in seinen Bart. 

„Alles so furchtbar. Furchtbar das alles. Wo soll das nur hinführen. Furchtbar.“

Der mächtige Löwe Aslan beobachtet die Szene.

„Was ist denn mit den Zwergen los?“, fragen ihn seine jungen menschlichen Gefährt*innen. „Sie leben doch praktisch im Paradies, wieso freuen sie sich nicht?“

„Sie müssten nur den Kopf heben und um sich schauen“, antwortet der weise Löwe.

„Aber wieso tun sie das denn nicht?“, fragen die jungen Held*innen. „Kann ihnen nicht jemand sagen, wie einfach es wäre?“

Aslan schüttelt seine Mähne. „Zwecklos“, sagt er. „Ich habe es oft genug versucht. Aber wer nicht sehen WILL, der sieht auch nicht.“

Diese Szene stammt aus den Chroniken von Narnia. Ob sie genau so geschrieben steht, kann ich nicht garantieren – aber so habe ich sie in Erinnerung. 

Als mein Sohn klein war, habe ich ihm alle Narnia-Bände vorgelesen, am Abend auf dem Sofa. An den Inhalt kann ich mich kaum noch erinnern (ans Kuscheln mit meinem kleinen Hasen umso besser) – aber diese Szene ist mir deutlich im Gedächtnis geblieben.

Was stoppt die Negativ-Spirale?

Zum Glück haben wir Menschen kein Zwergengehirne – aber manchmal benehmen wir uns genau wie diese zehn Winzlinge. 

Das ist nicht unsere Schuld. Es liegt an unserer negativity bias und an der starken Sogwirkung negativer Gewohnheitsgedanken. 

Und hier kommt Journaling ins Spiel.

Gedanken, die im Kopf feststecken, haben die Tendenz, sich im Kreis zu drehen. Wir grübeln stunden- oder sogar tagelang über ein- und dieselbe Sache nach. Wir spielen vergangene oder zukünftige Situationen tausend Mal im Kopf durch. Wir lassen zu, dass unsere Ängste und Sorgen Karussell fahren. 

Diese Spiralen zu stoppen ist richtig schwierig. Selbst wenn wir bereits einen inneren Beobachter installiert haben und ihnen dabei zuzusehen können, wie sie sich immer schneller drehen, ist es fast unmöglich, ihnen Einhalt zu gebieten. 

Kaum nehmen wir jedoch einen Stift zur Hand und bringen diese Gedanken zu Papier, kommt das Karussell zum Stillstand.

Ich habe viele Jahre lang konsequent meditiert. Diese Praxis war definitiv hilfreich, um zu bemerken, was sich zwischen meinen Ohren abspielt, und daraus auszusteigen. 

Aber meine persönliche Erfahrung hat mir gezeigt, dass Journaling für diesen Zweck wesentlich effektiver ist als Meditation. Innerhalb kürzester Zeit wird der Kopf frei und unser Denken verändert sich.

Hirn frei, Herz leicht

Meine Klientin sitzt mir gegenüber im bequemen Polstersessel und erzählt mir, dass sie seit einiger Zeit Morgenseiten schreibt – und wie gut ihr das tut. 

„Ja, nicht wahr?“, antworte ich. „Journaling ist zwar keine Wunderpille, aber …“

„Doch!“, entgegnet sie fast entrüstet. „Für mich IST es eine Wunderpille! Mein Tag beginnt völlig anders, wenn ich am Morgen geschrieben habe. Meine Gedanken sind klar und ich fühle mich leicht und befreit.“

„Wunder“ und „Magie“ – das sind Worte, mit denen ich bewusst zurückhaltend bin. Aber ein Stück weit gebe ich meiner Klientin schon recht. Dafür, wie einfach Journaling ist, ist es tatsächlich fast ein Wunder, was es bewirken kann. 

Wie genau das Schreiben mit der Hand unsere Denkmuster beeinflusst, wissen wir (noch) nicht. Klar ist, dass Emotionen an Intensität und „Ladung“ verlieren, wenn wir sie schriftlich zum Ausdruck bringen. Klar ist auch, dass das Niederschreiben von Gedanken in geordnete und gerichtete Bahnen lenkt, was zuvor verworren war und sich ständig wiederholt hat.

Es ist so, als würden die zehn Zwerge plötzlich in ihrem Gemurmel innehalten, den Kopf heben und staunen. Wow, die Welt in unseren Köpfen besteht ja WIRKLICH nur in unseren Köpfen! Und das da draußen sieht ganz anders aus! 

“Fill your paper with the breathings of your heart.” ~ William Wordsworth

Von Bäh zu Yeah, von „Ich weiß nicht“ zu Klarheit

Wir müssen gar nicht viel tun – meistens geschieht es ganz von selbst: Wenn wir erst mal fünf, zehn Minuten schreibend Dampf abgelassen haben, nehmen die Gedanken eine neue Richtung.

Meine Morgenseiten beginnen häufig mit Bedeutungslosem, manchmal auch mit Gejammer auf hohem Niveau oder Luxusproblemen. Innerhalb kürzester Zeit aber wird daraus ein knackiges Selbst-Coaching, dann ein Pep-Talk, und schließlich ein „Yeah, go for it!“

Ich staune darüber, wie klar beim Schreiben Dinge werden, über die ich zuvor tagelang nachgegrübelt habe. Allein mir die Frage „Will ich das wirklich?“ zu stellen, führt beim Journaling zu einem viel eindeutigeren Ergebnis, als wenn ich über sie nachdenke.

Schreiben bringt uns in Kontakt mit unseren tieferen Schichten, mit einer inneren Weisheit, die unserem denkenden Verstand oft nicht zugänglich ist.  

„Unbewusstes braucht das Licht des Bewusstseins.

Bewusstheit braucht die Energie des Unbewussten.

Schreiben erlaubt diesen Austausch.“

~ Marion Goodman

Regelmäßig zu schreiben ist ein bisschen wie mentales Zähneputzen. Tun wir es nicht, fühlt sich das innerhalb kürzester Zeit Bäääh an. Tun wir es aber, werden wir mit einem frischen Geist und oft sogar mit einem lustvollen Yeah! belohnt.  

REGELMÄSSIG ZU SCHREIBEN IST WIE MENTALES UND EMOTIONALES ZÄHNEPUTZEN. 

TUN WIR ES NICHT, FÜHLEN WIR UNS INNERHALB KÜRZESTER ZEIT „BÄÄÄÄH“.  

11 einfache Journaling Tipps

Erlaub dir „Nur ganz kurz“ 

Es muss nicht lang sein – Hauptsache du schreibst! Manchmal gewinnt dein Journaling an Fahrt, du nimmst Momentum auf, kommst in den Flow – und aus den geplanten fünf Minuten werden 20 oder noch mehr. Und wenn nicht? Auch gut! Dann bist du eben nach ein paar Minuten fertig

Lass Erwartungen los

Manchmal finden wir beim Schreiben Gold-Nuggets und glitzernde Wort-Diamanten, manchmal erleben wir Durchbrüche, manchmal berühren wir uns selbst zutiefst, und manchmal poppt ein Aha-Moment nach dem anderen auf. 

Manchmal aber auch nicht. Dann ist das Schreiben einfach nur „Najaaa“. 

Es ist genau wie bei der Meditation: Wir üben absichtslos – und indem wir praktizieren, ohne am Ergebnis anhaften, ernten wir die höchsten Früchte. 

Lass es roh sein

Widerstehe der Versuchung, dich schon während des Schreibens zu korrigieren! Lass deine Journaling-Texte ROH sein. Greif nicht in deinen Gedankenfluss ein.

Falls du sie als Basis für ein kreatives Schreib-Projekt nutzen willst, kannst du deine Texte in einem zweiten Schritt überarbeiten.

Du musst nicht jeden Tag schreiben

Es hat viele Jahre gedauert, bis ich wirklich zu einer konsequenten täglichen Schreib-Praxis gefunden habe. Davor habe ich on-off geschrieben – meistens dann, wenn es mir nicht gut ging. 

Idealerweise schreiben wir jeden Tag. Aber was ist schon ideal? Das Leben spielt oft andere Stücke. Bleib dran, aber mach dir keinen Druck und kritisiere dich nicht! Kehr einfach ohne große Geschichte wieder zu deiner Praxis zurück, wenn du einen oder mehrere Tage ausgelassen hast. 

Finde Happy Journaling Places

Bring Abwechslung in deine Journaling-Praxis und schreib an verschiedenen Orten! Ich liebe es zum Beispiel, im Bett zu schreiben, im Café oder im Zug. Manche Menschen schreiben am liebsten irgendwo in der Natur oder im Garten. Oder in Omas Ohrensessel. Oder am Küchentisch. 

Finde Lieblings-Schreibplätze und probier immer mal wieder etwas Neues aus! 

Sei ehrlich zu dir selbst

Schreiben ist ein wunderbares Medium der Selbsterkenntnis. Aber manchmal wollen wir uns gar nicht erkennen. Manchmal wollen wir’s gar nicht so genau wissen. Dann schummeln wir uns um unsere unangenehmen Themen herum. Dann zensieren oder kuratieren wir unser Schreiben, und tragen sogar vor uns selbst Masken. 

Wären wir ehrlich, müssten wir auch etwas verändern – und genau das will ein Teil von uns vermeiden. Daher: Sei ehrlich und wahrhaftig, wenn du schreibst. Die Wahrheit mag nicht immer angenehm sein – aber sie ist heilsam. 

Schreib EINEN wahren  Satz

„Alles was du tun musst, ist einen wahren Satz zu schreiben. Schreib den wahrsten Satz, den du kennst“, meinte Ernest Hemingway. 

Spiel mal ein bisschen mit dieser Idee – was ist der wahrste Satz, der dir im Moment einfällt? Schreib ihn auf. 

Stell dir vor, du wärst in einer Coaching-Session

Stell dir vor, du wärst in einer Therapie- oder Coaching-Session. Was würden deine Therapeutin oder dein Coach dich fragen? Schreib eine Frage und deine Antwort darauf. 

Schreib AN jemanden

Um Beziehungen zu klären, kannst du an andere Menschen schreiben – zum Beispiel in Form eines Briefes, den du niemals abschickst. 

Du kannst aber auch an innere Anteile schreiben, zum Beispiel an:

In dritter Person

Wenn du über schmerzhafte oder schwierige Erfahrungen schreibst, versuch‘ es mal in dritter Person! Das schafft eine wohltuende Distanz. 

Happy End

Was auch immer zu Papier geflossen ist: Gib deinem Schreiben zum Abschluss einen positiven Dreh! Dein letzter Satz (oder Absatz) kann eine Ermutigung für dich selbst enthalten, oder du schenkst dir selbst Anerkennung für deinen Weg – oder einfach dafür, dass du dir Zeit zum Schreiben genommen hast …

Hast auch du Tipps fürs Journaling? Oder Erfahrungen, die du teilen möchtest? Dann poste in die Kommentare – ich freue mich, von dir zu lesen! 

Buchtipps und Ressourcen:

  • Julia Cameron: Der Weg des Künstlers
  • Anna Platsch: Schreiben als Weg
  • Liane Dirks: Sich ins Leben schreiben
  • Gail Sher: Schreib dich frei
  • Natalie Goldberg: Schreiben in Cafés
  • Barbara Pachl-Eberhart: Federleicht
  • Gabriele Andler: Wort-Werk: Das Journaling Buch
  • Beatrix Schulte: Die Seelenfeder
  • Doris Dörrie: Leben Schreiben Atmen
  • Silke Heimes: Ich – Du – Wir. Kreatives Schreiben für die Liebe
  • Ulrike Scheuermann: Schreibdenken: Schreiben als Denk- und Lernwerkzeug nutzen und vermitteln
  • Katrin Girgensohn / Ramona Jakob: 66 Schreibnächte. Anstiftung zur literarischen Geselligkeit. Ein Praxisbuch zum kreativen Schreiben.
  • Silke Heimes: Ich schreibe mich gesund: Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit
  • Dominik Spenst: Das 6-Minuten-Tagebuch
  • Jürgen vom Scheidt: Kreatives Schreiben – HyperWriting. Texte als Wege zu sich selbst und zu anderen.
  • Lutz von Werder, Barbara Schulte-Steinicke, Brigitte Schulte: Die heilende Kraft des Schreibens
  • Lutz von Werder: Lehrbuch des Kreativen Schreibens. Grundlagen – Technik – Praxis.
  • Petra Rechenberg-Winter, Renate Haußmann: Alles, was in mir steckt. Kreatives Schreiben im systemischen Kontext.
  • M. Gräßer, D. Martinschledde, E. Hovermann: Therapietools Therapeutisches Schreiben.
  • Silke Heimes: Warum Schreiben hilft. Die Wirksamkeitsnachweise zur Poesietherapie.
  • Birgit Schreiber: Schreiben zur Selbsthilfe. Worte finden, Glück erleben, gesund sein.
  • Carmen Unterholzer: Es lohnt sich, einen Stift zu haben
  • James W. Pennebaker: Heilung durch Schreiben. Ein Arbeitsbuch zur Selbsthilfe.
  • Silke Heimes: Kreatives und therapeutisches Schreiben. Ein Arbeitsbuch.
  • Petra Rechenberg-Winter (Hg.): Praxisfelder des kreativen und therapeutischen Schreibens
  • Sylvia Winnewisser: Einfach die Seele frei schreiben. Wie sich therapeutisches Schreiben auf die Psyche auswirkt.
  • Elena Brower: practice you
  • Rossi Fox: 365 Journaling Ideas
  • Lynn Nelson: Writing and Being
  • Andrea Campbell: Your Corner oft he Universe. A Guide to Self-Therapy through Journal Writing
  • Kathleen Adams: Journal to the Self: Twenty-two Paths to Personal Growth.
  • Elizabeth Gilbert: Big Magic
  • Natalie Goldberg: Wild Mind
  • Natalie Goldberg: The True Secret of Writing
  • Anne Lamott: Wort für Wort (Bird by Bird)
  • Meredith Marahn (Ed): Why We Write About Ourselves. Twenty Memoirists on Why They Expose Themselves (and Others) in the Name of Literature
  • Ray Bradbury: Zen in der Kunst des Schreibens
  • Julia Cameron: Von der Kunst des Schreibens
  • Stefan Bollmann: Frauen die schreiben leben gefährlich

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