Achte auf deine Worte – denn sie kreieren deine Welt!

Achte auf deine Worte!

„Ich bin SO unfähig!“, entfährt es ihr, als sie die richtige Autobahnabfahrt verpasst.

So unfähig. Meine Freundin.

Meine Freundin, die seit mehr als einem Jahrzehnt erfolgreich selbstständig ist, tolle Lehrgänge leitet, zwei Söhne großgezogen hat, mit ihren 50 Jahren superfit und beweglich ist – total unfähig.

Wegen eines kleinen Moments der Unachtsamkeit auf der Autobahn.

Brrrrrr.

Doch meine Freundin ist nicht die einzige, die beim kleinsten Missgeschick – und oft braucht es nicht einmal das – in harsche Selbstkritik verfällt.

„IMMER bin ich so ungeschickt!“

„Ich bin Spezialistin dafür, Termine zu übersehen …“

„Ich bin einfach unmöglich – NIE schaffe ich es, pünktlich zu sein!“

„Was Technik angeht, bin ich eine totale Niete ….“

Wie oft erlebe ich bei SeminarteilnehmerInnen oder Coaching-KlientInnen eine solche selbstverachtende Sprache!

Brrrrr.

Und ich?

„IMMER arbeite ich zu viel. NIE habe ich Zeit für Sinnlichkeit, für Unterhaltung, für Freunde!“ klage ich der Frau mit den Zauberhänden mein Leid, während sie meine Füße bearbeitet.

„Kürzlich war ich zum Beispiel mit meinem Liebsten und einem Freund im Kino und danach auf einen Drink“, fahre ich fort. „Ach ja, und letzte Woche war ein anderer Freund auf Besuch, und wir sind bis spät in der Nacht auf dem Balkon gesessen und haben still den Mond betrachtet. Siehst du – SO ETWAS will ich, und nicht immer nur Verantwortung und To-Do-Listen!“

Die Frau mit den Zauberhänden kann sich nicht mehr halten und prustet los. Ich verstehe nicht gleich, warum meine Erzählung so viel Heiterkeit bei ihr auslöst – aber dann dämmert es mir.

Habe ich gerade „IMMER“ gesagt? Und „NIE“? Und im selben Atemzug erwähnt, dass das, wofür ich angeblich NIE Zeit habe, sehr wohl Platz in meinem Leben hat?

Welche Geschichten erzähle ich mir da eigentlich selbst? Welche Glaubenssätze betoniere ich mir mit Worten wie diesen in den Kopf?

Nochmal Brrrrrr.

Mit den Jahren bin ich wach und achtsam für Worte geworden. Ich wähle meine Sprache sehr bewusst, sowohl in meinem inneren Dialog als auch in meiner Kommunikation mit anderen. Aber offensichtlich gibt es da noch Luft nach oben ?

Unsere Worte verraten enorm viel über unsere Denkgewohnheiten, unsere Glaubenssätze, unsere Beziehung zu uns selbst, und darüber, wie wir die Welt sehen. Manchmal ganz offensichtlich, manchmal  subtil.

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.

Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.

Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.

Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.

Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.

~ Aus dem Talmud

Umgekehrt können wir, indem wir unsere Sprachmuster verändern, auch unsere mentalen Muster verändern, unsere Perspektive auf uns selbst und auf die Welt, in der wir leben – und damit unser Schicksal.

Wir sehen die Welt nicht so, wie sie ist, sondern so, wie wir sind.~ Stephen Covey

Die meisten der rund 60.000 Gedanken, die wir jeden Tag denken, ist flüchtig und unbedeutend, und den Großteil davon haben wir auch schon am Tag zuvor gedacht, und am Tag davor und am Tag davor. Nur geschätzte 3 Prozent unserer Gedanken sind aufbauend und ermutigend.

Aber zum Glück wissen du und ich inzwischen, dass Gedanken einfach nur Gedanken sind und keinen Wahrheitsgehalt haben. Zum Glück wissen du und ich inzwischen, dass wir mit etwas Training und Geduld lernen können, unsere Gedanken frei zu wählen!

Und so ist es auch mit Worten.

Mit den folgenden 7 Tipps wählst du deine Worte bewusst und sorgfältig – und kreierst damit die Welt, die dir gefällt!

# 1 Sag niemals immer. Und niemals nie!

„IMMER mäkeln meine Kinder an dem rum, was ich gekocht habe.“

„NIE hilft mein Mann im Haushalt mit.“

„IMMER kommt meine Chefin zu spät zum Meeting.“

„IMMER tut mir die Schulter weh.“

„NIE kümmert sich jemand um das, was ich zu sagen habe.“

Stimmt das?

Wahrscheinlich nicht.

Achte auf die Immer‘s und Nie‘s in deiner Sprache, hinterfrage sie – und wähle dann bewusst deinen Fokus!

Wie wäre es zum Beispiel, dem Aufmerksamkeit zu schenken, was klappt? Dich zum Beispiel bei deinen Kindern zu bedanken, wenn sie dein Essen ausnahmsweise mal gut finden und ihnen zu sagen, wie sehr du dich darüber freust? Dir bewusst zu machen, was dein Partner alles für dich, eure Beziehung und eure Familie tut (auch wenn es vielleicht nicht der Abwasch ist), und ihm dafür deine Wertschätzung entgegenzubringen? Auch mal zur rechten Schulter hinzuspüren, die schmerzfrei ist, anstatt deinen Fokus immer dorthin zu lenken, wo es weh tut?

Klar, manche Dinge rufen nach Veränderung, und es geht nicht darum, sie auszublenden oder zu ignorieren. Aber Veränderung gelingt leichter, wenn unser inneres Klima von Dankbarkeit und Wertschätzung geprägt ist. Und sie gelingt leichter, wenn wir dem, was in unserem Leben erblühen soll, Raum und Aufmerksamkeit schenken, anstatt unsere Wahrnehmung mit IMMERs und NIEs zu limitieren!

# 2 NOCH nicht

„Ich krieg das einfach nicht hin mit der gesunden Ernährung!“

„Ich schaff es nicht, regelmäßig Yoga zu machen!“

„Es gelingt mir einfach nicht, mich abzugrenzen.“

Wie anders könnten diese Sätze – die fast nach Beschwörungen klingen – wirken, würden wir vier kleine Buchstaben ergänzen: N-O-C-H.

„Noch übe ich nicht regelmäßig Yoga – aber bald!“

Im Moment fällt es mir noch schwer, gesunde Grenzen zu setzen – aber ich bin dabei, es zu lernen!“

„Noch klappt es nicht so recht mit der gesunden Ernährung – aber ich kenne mein Ziel und ich bin auf dem Weg.“

Spürst du’s? Kleines Wort, GROOOOSSER Unterschied ?

# 3 Bejahen statt Verneinen

„Mein Vortrag war nicht mal so schlecht.“

„Ich finde, meine Master-Arbeit ist gar nicht übel.“

Wie wär’s stattdessen mit „Mein Vortrag war gut!“ oder „Meine Master-Arbeit habe ich wirklich prima hingekriegt“?

Na? Klingt doch gleich viel kraftvoller und selbstbewusster!

# 4 Müssen oder Nicht-Müssen – das ist die Frage!

Ich lese und höre immer wieder, dass wir das „Müssen“ aus unserem Wortschatz verbannen … müssen ?

Und da ist etwas dran! Anna Platsch erzählt in Schreiben als Weg von einer Untersuchung, derzufolge sich ein bevorstehender Völkermord in der Sprache unter anderem dadurch abzeichnet, wie (und wie oft) das Wörtchen „muss“ verwendet wird.

 „Ich muss heute noch diese Präsentation fertig machen … ich muss noch einkaufen fahren … ich muss endlich unsere Urlaubsflüge buchen … ich muss endlich zum Zahnarzt …“

MUSST du oder WILLST du?

Nimm dir nicht selbst die Wahlfreiheit, indem du dich in einem „Ich muss“ einsperrst!

Also. Ich bin ein großer Fan davon, „Ich muss…“ gegebenenfalls durch „Ich möchte …“, „Ich will …“ oder „Ich darf“ zu ersetzen.

Aber da gibt es auch diese andere Art von Müssen. Dieses innere Wissen darum, was wir tun MÜSSEN, um uns selbst treu zu sein, um unsere Aufgabe hier auf Erden zu erfüllen, um die Sehnsüchte unserer Seele zu stillen.

Zum Beispiel wusste ich, dass ich meine Wanderung von Florenz nach Assisi fortsetzen MUSS, trotz miesem Wetter, Wildschweinen und Co – weil es dabei um einen tiefen seelischen Prozess ging, vor dem ich nicht davonlaufen wollte (und konnte).

Ich wusste auch, dass ich mich selbstständig machen MUSS, um meinen kreativen Freigeist nicht in einer Unternehmenswelt verkümmern zu lassen, in der ich einfach nicht ich selbst sein konnte.

Ich wusste auch, dass ich meinen Liebsten heiraten MUSS, damit ich nicht wieder davonlaufe, wenn der Punkt kommt, an dem es ans Eingemachte geht und meine Liebesbeziehung mich mit meinen tiefsten Ängsten und alten Verletzungen konfrontiert.

Diese Art von Müssen hat nichts mit selbst gewähltem Gefängnis zu tun, sondern mit einer freien Wahl. Mit der Wahl der Freiheit. Um frei zu sein, müssen wir unser Müssen manchmal wählen – aus freien Stücken.

# 5 Das Sollen wollen

Ähnlich wie mit dem Müssen ist es mit dem Sollen. Oft blubbert ein „Ich sollte …“ aus unserem Mund – aber es kommt nur selten aus unserem tiefsten Inneren. Viel öfter ist es Erwartungen geschuldet, die andere an uns haben – oder wir selbst.

„Ich sollte mal wieder meine Mutter anrufen.“

„Ich sollte dringend den Rasen mähen.“

„Ich sollte zehn Kilo abnehmen.“

Sagt wer?

Kürzlich habe ich von einer Schreibtherapie-Kollegin eine wunderbare Wortspende geschenkt bekommen. In einem ihrer Gedicht schrieb sie die Zeile „das Sollen wollen“.

Ja, manchmal gibt es ein Sollen. Aber es macht einen großen Unterschied ist, ob wir dieses Sollen wollen oder nicht.

Ich denke, es nicht notwendig ist, „müssen“ und „sollen“ ganz und gar aus unserem Wortschatz zu verbannen.

Aber achtsam, sehr achtsam müssen / wollen / sollen wir sein, wann und wie wir diese Worte verwenden!

# 6 „Fantastisch!“ Oder „Geht so …“?

Ich: „Ooooooh, dieser Tag war ABSOLUT wundervoll! Ich habe es UNENDLICH genossen, die Zeit mit dir zu verbringen!! Und jetzt die Abendsonne – TOOOTAL magisch!!!“

Mein Liebster: „Mmmh, jjjoooo, es war wirklich ganz schön …“

Mittlerweile können wir darüber lachen: Was in mir wortreiche Begeisterungsstürme auslöst, entlockt dem Mann an meiner Seite im besten Fall einen gemurmelten Halbsatz (in den meisten Fällen gerade mal ein Grunzen ?) .

Daraus habe ich viel gelernt.

Ich mag meine Begeisterungsfähigkeit, meinen Überschwang und meine intensiven Empfindungen. Manchmal schieße ich damit aber übers Ziel hinaus – dann nämlich, wenn ich mir mit meinen Übertreibungen selbst schade:

„Ich bin TOOOOTAL überarbeitet!“

„Die Hitze ist VÖÖÖÖÖLLIG unerträglich!“

„Der Flug war ein AAAAABSOLUTER Albtraum!“

Vielleicht gehörst auch du zu einer dieser beiden Fraktionen – zu den Über- oder den UntertreiberInnen.

Das ist auch fein so, es entspricht deinem Wesen.

Allerdings kannst du dir selbst viel Freiheit und viel mehr Spielraum schenken, indem du dir bewusst machst, ob du zum Über- oder Untertreiben neigst, und dann einfach mal das Gegenteil ausprobierst. Indem du experimentierst und beobachtest, was sich verändert, wenn du aus deinen gewohnten Sprachmustern ausbrichst.

Dass ich mir angewöhnt habe, in manchen Situationen meine Worte zurückhaltender zu wählen, hat in meiner Wahrnehmung einiges relativiert – und es hat mir geholfen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen.

Bisschen weniger Drama-Queen. Bisschen mehr Gleichmut – so ungefähr.

Falls du eher zum Untertreiben neigst, könntest du genau das Gegenteil ausprobieren: Übertreib ruhig mal, wenn es um etwas Schönes und Positives geht! Gerate mal so richtig ins Schwärmen! Und beobachte, was das mit deiner Stimmung macht.

Wie gesagt: Es geht nicht darum, dein Temperament zu verändern, sondern darum, deine Optionen zu erweitern. Und damit um deine innere Freiheit. As always!

# 7 Und?

Von Ilse Orth, Mitbegründerin der Integrativen Therapie und der Intermedialen Kunsttherapie, stammt der schöne Ausdruck „Es gibt immer ein Und.“

In diesem Fall hat das IMMER seine Berechtigung, finde ich ?

„Mein Vater hat Demenz UND er ist in sehr guter Behandlung.“

„Ich bin unzufrieden mit meinem Job UND es gibt andere Möglichkeiten für mich.“

„Ich fühle mich blockiert UND das muss nicht so bleiben.“

Das, was ist, ist. UND da ist noch ganz viel anderes! Das UND macht dich weit. Es schafft neue gedankliche Freiräume. Es eröffnet Möglichkeiten. UND es lässt dich schöpferisch werden!

# Bonus-Tipp: Nicht MAN, sondern DU!

„Irgendwie ist man ja immer auch getrieben …“

„Man kann sich das eben nicht aussuchen …“

„Man fühlt sich dann oft hilflos oder alleingelassen …“

Wer ist denn nun dieser ominöse MAN? Und warum muss er herhalten, wenn du doch eigentlich über DICH sprichst?

Vielleicht … nur so eine Vermutung … weil du nicht wirklich Verantwortung für dich und dein Leben übernimmst?

Zugegeben: Es ist gar nicht einfach, sich von diesem MAN zu trennen. Auch ich ertappe mich immer wieder dabei, diesen armen Kerl zu missbrauchen, um meine Aussagen abzuschwächen oder mich um eine klare Ich-Aussage herumzuschummeln. Aber ich übe. Und darauf kommt es an!

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Hast auch du Tipps, wie wir achtsamer mit Worten umgehen und dadurch neue Welten kreieren können? Dann teile sie in den Kommentaren – ich freue mich darauf, von dir zu lesen!

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