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Eins, zwei, frei! 

 September 22, 2021

Es ist halb sechs Uhr morgens und sehr still - bis auf das Kratzen meiner Füllfeder auf dem Papier. 

Auf der weißen Seidenbettwäsche, die ich von meiner Mutter geerbt habe, zeichnen sich im Licht der Morgendämmerung zwei schwarze Tintenflecken ab. 

Ich mag das. Ich mag Tinte. Ich mag die Zeichen in meinem Leben dafür, dass ich eine Schreibende bin. Ich mag die Notizbücher und Stifte in allen Taschen und auf allen Tischen, die weiß-goldene Füllfeder, die der Liebste mir zum letzten Hochzeitstag geschenkt hat, und die bunten Notizbücher, die ich jedes Jahr von Herrn Sohn zum Geburtstag bekomme. 

Die Feder gleitet übers Papier. "Gestern Nicolais Geburtstagsfeier - und ich habe viel zu viel gegessen", schreibe ich. Doch sofort halte ich inne. Und ergänze: "Das ist nur ein Gedanke." 

Die Morgenseiten haben, so deren Erfinderin Julia Cameron, vor allem den Sinn, all die trivialen, nutzlosen, sich ständig wiederholenden Gedanken aus unserem Kopf aufs Papier zu bringen, also unseren "Gedankenmüll" zu entsorgen, um Raum für das Wesentliche zu schaffen. Um durchzudringen zu dem, was unter all dem Geschnatter im Kopf liegt.

Deshalb landet auf diesen Seiten ganz schön viel Triviales und Banales - wie zum Beispiel der Satz "Ich habe viel zu viel gegessen." 

Für mich persönlich - und für mich als Forscherin - haben die Morgenseiten aber viel mehr Potenzial als nur das Loswerden von Gedankenmüll! Die Art, wie ich schreibe, und wie ich Schreiben als geniales Tool der Selbst-Entfaltung weitergebe, geht weit über Seelen-Hygiene hinaus. 

Genau deshalb taucht in meinen Morgenseiten der Satz "Das ist nur ein Gedanke"  sehr oft auf.

Und dieser Satz - so unscheinbar er auch daherkommen mag  - ist einer, der es faustdick hinter den Ohren hat.  


Man muss sich durch die kleinen Gedanken, die einen ärgern, immer wieder hindurchfinden zu den großen Gedanken, die einen stärken.
~ Dietrich Bonhoeffer

 

Über das Denken nachdenken: Der Schlüssel zu innerer Freiheit

Wir Menschen haben eine besondere Fähigkeit, die uns von allen anderen Lebewesen auf diesem Planeten unterscheidet:

Wir können über unser Denken nachdenken. 

Was das bedeutet, ist den meisten Menschen nicht klar. 

Ihnen ist nicht klar, dass sie damit den Schlüssel zu innerer Freiheit in Händen halten.

Denn was macht uns unfrei? 

Die Tatsache, dass wir uns selbst unsere Gedanken glauben;  dass wir sie für Tatsachen, für "die Wahrheit" halten. Das wäre kein Problem, hätten wir überwiegend positive, selbstfreundliche, ermutigende, stärkende Gedanken. 

Haben wir aber nicht. Bei den meisten Menschen ist der Großteil der bis zu 80.000 Gedanken, die jeden Tag durch ihre Köpfe schwirren, negativ, selbstkritisch, unfreundlich, schwächend. 

Was noch schlimmer ist: Sie merken es nicht! Und obwohl diese Gedanken nie ins Bewusstsein dringen, beeinflusst jeder von ihnen die Art und Weise, wie wir uns fühlen und verhalten. 

Bei vielen Menschen, die mit Meditation oder Mind Management beginnen (suuuuper Entscheidung!), tritt zunächst scheinbar eine Erstverschlimmerung ein. Plötzlich wird ihnen bewusst, wie abwertend, unfreundlich und erniedrigend ihr innerer Dialog ist. Mit welcher schwarzen Brille sie in die Welt blicken, wie sehr ihr Fokus auf das Negative gerichtet ist. 

Natürlich ist es nicht WIRKLICH eine Erstverschlimmerung - denn diese Gedanken waren auch vorher schon da. Nur blieben sie eben unbemerkt. 

Und hier kommt der Gedanke ins Spiel, der innerlich frei macht. 

Es ist ein Meta-Gedanke. Ein Gedanke über unsere Gedanken. 

Es ist der Gedanke: "Das ist nur ein Gedanke."


Was heißt schon "wahr"?

Dieser Satz ist der ersten Frage aus Byron Katie's "The Work" nicht unähnlich. Diese Frage lautet "Ist das wahr?"

Uns diese Frage bei allem zu stellen, was wir uns so erzählen (Die Arbeitskollegin mag  mich nicht; Ich bin immer zu spät dran; Mein Kind sollte bessere Noten haben; ...) ist sehr erhellend, und ich kann "The Work" absolut empfehlen. 

Aber ich habe festgestellt, dass "Das ist nur ein Gedanke" für mich wirksamer ist. 

Denn die Frage nach der Wahrheit impliziert, dass es so etwas wie Wahrheit überhaupt gibt - dass wir wahre und unwahre Dinge denken können.

Können wir aber nicht.

Gedanken sind einfach Sätze in unserem Kopf, ohne Wahrheitsgehalt. 

Klar, es gibt so etwas wie Fakten - aber das meiste, was sich in unseren Köpfen abspielt, sind Interpretationen dieser Fakten, die wir für die Wahrheit halten. 

"Ich habe bei der Geburtstagsfeier eine Portion indisches Malai Kofta und einen Schoko-Donut gegessen " ist ein Faktum. 

"Ich habe viel zu viel gegessen", ist eine Interpretation. 

Und hier beginnt Mind Management. Hier beginnt unsere Detektivarbeit. Hier beginnt der Schlüssel zur Freiheit, den wir längst in unseren Händen halten, sich im Schloss zu drehen.

Die Kraft der Gedanken ist unsichtbar wie der Same, aus dem ein riesiger Baum erwächst; sie ist aber der Ursprung für die sichtbaren Veränderungen im Leben des Menschen.
~ Leo Tolstoi


Eins, zwei, frei!

Der erste Schritt besteht darin, unsere Gedanken zu beobachten. Das tun wir am besten schreibend. Denn wenn wir schreiben, gerinnen unsere Gedanken zu Worten auf Papier, und damit bemerken wir überhaupt erst, was wir den ganzen Tag über so denken. 

Im zweiten Schritt machen wir uns bewusst, dass diese Gedanken einfach nur Gedanken sind, indem wir "Das ist nur ein Gedanke" denken.

Wenn wir das regelmäßig üben, verändert sich alles; denn dann wechseln wir vom Autopilot-Modus in die Schöpfer-Rolle - mit dem Zwischenschritt über den inneren Beobachter. 

Im dritten und vierten Schritt können wir uns fragen, ob ein bestimmter Gedanke, der einfach nur ein Satz in unserem Kopf ist, hilfreich für uns ist. Ob er dazu führt, dass wir uns gut fühlen und das tun, was wir eigentlich tun wollen. Falls die Antwort "Nein" ist, können wir andere Gedanken finden und praktizieren. 

"Ich habe viel zu viel gegessen" ist kein hilfreicher Gedanke. 

Er führt dazu, dass ich mich schuldig fühle und denke, ich hätte etwas falsch gemacht. 

Das wiederum führt dazu, dass ich gar nicht hinschauen mag, anstatt wohlwollend, freundlich und neugierig zu erforschen, warum ich denn einen Donut gegessen habe, obwohl ich gar keine Donuts mag. 

Doch dieses liebevolle Erforschen ist der beste Weg, um bei der nächsten Geburtstagsfeier keinen Donut zu essen. Oder nur einen halben 😉 


Die Faktenlage ist dünn.

Bei meinem Forschungsprojekt für meinen Master in Positiver Psychologie habe ich untersucht, wie Frauen sich innerlich befreien könne, indem sie ihre Geschichte umschreiben.

Dabei hat sich herausgestellt, dass es für die meisten Menschen schwierig ist, zwischen Fakten und Interpretationen zu unterscheiden: Sie haben sich ihre "Geschichten" so oft erzählt, dass sie sie für die Wahrheit halten. 

"Meine Tochter ging mit einem Jahr in die Krabbelstube" ist ein Faktum. 

"Ich habe meine Tochter viel zu früh in die Krabbelstube gegeben, und das hat ihrer Entwicklung geschadet", ist eine Interpretation. Wenn diese jedoch für uns zur Wahrheit wird, weil wir sie uns unbewusst tausende Male erzählen, wuchern bald jede Menge toxische Schuldgefühle in uns, die unsere Beziehungen vergiften. 

"Die Faktenlage ist dünn. Der Rest ist Drama." So hat eine Teilnehmerin meines Forschungsprojekt es ausgedrückt, als ihr der Unterschied klar wurde. 

Besser kann frau es nicht auf den Punkt bringen!

Eine der erstaunlichsten Erkenntnisse aus meiner Forschung war, dass sich sofort ein Gefühl von Distanz und Neutralität einstellt, wenn wir unsere Geschichten als das erkennen, was sie sind:

Geschichten. Storys. Interpretationen. Kopfkino.

Nicht die Wahrheit. 

Und schon löst sich die emotionale Ladung auf, und diese Geschichten verlieren ihre Macht über uns. 

DIE FAKTENLAGE IST DÜNN.


DER REST IST DRAMA.



So schreibst du dich in die Freiheit

Weil du eine Frau der Tat bist (das bist du, ich weiß es!) scharrst du jetzt bestimmt schon in den Startlöchern und willst es ausprobieren. Wunderbar, lass uns loslegen!

  • Stell einen Wecker und bring zehn Minuten lang ungefiltert alles aufs Papier, was sich in deinem hübschen Köpfchen so abspielt.
  • Lies durch, was du geschrieben hast. Unterstreiche alle Fakten in einer Farbe, alle Interpretationen in einer anderen. 
  • Welches Bild ergibt sich? Was überwiegt, die Fakten oder deine Interpretationen? 
  • Denk dir nun zu jeder Interpretation: "Das ist nur ein Gedanke", und beobachte, was das mit dir macht.

Naaaaaa, wie viele Aha-Momente hattest du? 

Buchtipps und Ressourcen:

  • Liebe Laya,
    danke für dieses Goldstück und auch für das GrowTalk- Video.
    Durch diesen Satz: „Es ist nur ein Gedanke“, merkt man erst, wieviel man interpretiert und sich Sachen in den Kopf pferchen lässt, die vielleicht gar nicht so sind. Durch diesen Satz, kann ich diese Gedanken, die ein Unwohlbefinden in mir verursachen, abschütteln und ich fühle mich hinterher leichter und unbeschwerter!
    Im GrowTalk- Video sprichst du darüber, ob ich die Gründe für meine Entscheidungen, die ich treffe, denn mag. Das finde ich phänomenal und super! So habe ich das noch nicht gesehen. Das muss ich gleich mal an meine Tochter weiterschicken, die kürzlich nach Deutschland gezogen ist und für ihren Liebsten hier in Österreich alles aufgegeben hat und gerade jetzt am Wochenende, als sie bei uns zu Besuch war, sehr darüber gehadert hat. Auch sie sollte erkunden, ob sie denn die Gründe, warum sie das gemacht hat, mag.
    Danke, ich fühle mich jetzt so richtig gut und inspiriert.
    LG, Ingrid

    • Liebe Ingrid,

      ich bin immer wieder beglückt und fasziniert zu sehen, wie du diese Inspirationen und „Mindset Hacks“ sofort erfasst, ihre Wirksamkeit erkennst, und umsetzt! Ich habe das Gefühl, dass du schon sehr viel „Vorarbeit“ geleistet hast und jetzt so richtig reif und bereit bist, dein Denken mit diesen tiefenwirksamen Methoden zu verändern. Denn es geht genau um das, was du schreibst: Unbehagliche Gefühle sind ein Hinweis auf nicht hilfreiche Gedanken, und indem wir diese identifizieren, können wir diese Gefühle abschütteln!

      Danke auch fürs Weitergeben … mit dem Hadern lasten wir uns oft selbst eine große Bürde auf, leben in der Vergangenheit statt in der Gegenwart (ich weiß, wovon ich spreche ;-))… ich wünsche deiner Tochter von Herzen, dass sie sich befreien und ihr neues Leben in Deutschland wundervoll und kreativ gestalten kann!

      Alles Liebe, Laya

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