Ich spüre, wie angespannt mein Körper ist.
Ich merke, dass ich ganz flach atme.
Ängstlich setze ich einen Schritt vor den anderen, immer darauf bedacht, nicht abzurutschen; aber je vorsichtiger ich bin, desto mehr verkrampfe ich mich.
Von Zeit zu Zeit höre ich hinter mir Schritte, und schwupp, schon läuft jemand im Affentempo an mir vorbei den Abhang hinunter – meist jemand Männlicher, Braungebrannter, mit sehnigen Waden, sportlichen kurzen Hosen, bunten Bergschuhen und im Gegensatz zu mir ohne Wanderstöcke.
„Niemals“, denke ich, „niemals könnte ich SO einen Berg hinunterlaufen.“
Und da ist Scham.
Scham darüber, dass ich eine Schnecke mit Stöcken bin und kein hurtiger Bergaffe, auch keine flinke Gemse, niemand, der von klein auf mit seine Eltern in den Hochalpen herumgeklettert ist, und auch niemand, dem Sportlichkeit in die Wiege gelegt worden wäre.
Und mir wird bewusst, dass es weniger die Angst vor dem Abrutschen und Stürzen ist, die meinen Atem flach und meinen Körper angespannt werden lässt, sondern viel mehr die Angst davor, was andere über mich denken, oder dass sie sich insgeheim über mich lustig machen könnten.
Warum „Glaub an dich!“ ein schlechter Rat ist
Ich hatte immer schon ein hohes Selbstvertrauen, wenn es um Dinge wie Sprache, berufliche Erfolge und intellektuelle Leistungen ging. Aber wenn ich es mit körperlichen Herausforderungen oder größeren finanziellen Entscheidungen zu tun hatte, waren meine Selbstzweifel früher oft übermächtig.
„Du musst einfach an dich glauben, dann kannst du alles schaffen!“ – dieser tolle Tipp, dem wir in Videos, Büchern und Seminaren begegnen, ist in solchen Situationen das Gegenteil von hilfreich.
Denn das ist ungefähr so, als zu jemandem, der noch nie Stabhochsprung gemacht hat und mit einer langen Stange in der Hand vor einem fünf Meter hohen Hindernis steht, zu sagen: „Spring doch einfach drüber!“
Das wird vermutlich nicht klappen – und schon verwurzeln sich unsere Selbstzweifel noch tiefer und unser Gehirn sieht sich bestätigt.
„Siehst du, ich hab’s dir doch gleich gesagt – du bist zu schwach, zu dämlich, zu unerfahren, zu unattraktiv, zu unfähig!“ – solche und ähnliche Gedanken produziert es, und schon ist es mit vorbei mit unserem Glauben an uns selbst, und wir verlieren jeglichen inneren Halt. So funktionieren menschliche Gehirne, die nicht effektiv gemanagt werden, nun mal!
Gedanken und Resultate – so steigst du aus dem Kreislauf aus
Unsere Gedanken und Glaubenssätze beeinflussen unsere Gefühle, unsere Wahrnehmung und unsere Handlungen. In einem co-kreativen Prozess mit unserer Mitwelt entstehen daraus Resultate. Vieles, aber nicht alles liegt in unserer Hand.
Die Resultate, die wir erzielen, bringen neue Gedanken hervor, und die wiederum beeinflussen die nächste Umdrehung in diesem Kreislauf.
Doch Halt!
Genau HIER liegt deine Macht. Genau HIER liegt dein Gestaltungsspielraum. Genau HIER kannst du aus der Endlos-Spirale aussteigen und eine neue kreieren, in der dein Selbstvertrauen mit jeder Umdrehung wächst!
ZUERST kommt das, was du über dich, deine Fähigkeiten und deine Möglichkeiten denkst – denn das entscheidet darüber, ob du Zweifel transformierst oder dich von ihnen lähmen lässt; ob du aus Fehlern lernst und mit mehr Klarheit und Stärke aus Rückschlägen hervorgehst, oder ob du in Scham und Selbstkritik hängenbleibst; ob du an deine Möglichkeiten und Potenziale glaubst, auch wenn sie sich nicht sofort verwirklichen lassen, oder ob du entmutig aufgibst.
DANN entstehen – meist nicht sofort, aber irgendwann bestimmt – erste Resultate und Erfolgserlebnisse. Und dann kommt es wiederum darauf an, wie du über diese denkst, wie du sie interpretierst. Feierst du jeden kleinen Fortschritt, Erfolg und Triumph? Oder denkst du „Das ist doch nichts, und ich bin noch soooo weit von meinem Ziel entfernt“? Bist du stolz auf dich und deine Babysteps – oder siehst du nur das, was noch NICHT klappt?
Also: Zweifel- oder Aufwärtsspirale – es ist DEINE Wahl, DEINE Praxis, DEIN Fokus, die Lenkung DEINER Aufmerksamkeit und DEINER Gedanken.
Ein paar Beispiele
ICH BIN ZWAR KEINE GEMSE, ABER ….
Welche Gedanken wähle ich beim Bergsteigen am rutschigen, steilen Abhang, wenn Affen, Gemsen und andere trittsichere alpine Tierchen mich mit Hurra überholen?
Denke ich: „Ich bin einfach zu ungeschickt dafür, ich werde das niemals so können wie sie!“
Oder: „Egal, wie langsam ich bin, irgendwann bin ich unten angekommen, und das allein ist eine großartige Leistung, denn ich habe meine Angst überwunden!“
BESSER WERDEN KANN ICH IMMER NOCH!
Welche Gedanken wählst du, wenn du ein neues Projekt startest, für das dir einige Skills und Erfahrungen fehlen, und bei dem du zu Beginn gehörig ins Straucheln gerätst?
Denkst du: „Eben! Das konnte ja nicht gut gehen, ich lasse es lieber. „
Oder: „Der Anfang ist gemacht – und Scheitern ist ein Teil des Plans! Besser werden kann ich immer noch, und das werde ich auch, wenn ich einfach weitermache, lerne und Erfahrungen sammle.“
DAS HAT NICHTS MIT MIR ZU TUN
Was denkst du, wenn du bei einem Date warst, bei dem es so richtig schön gefunkt hat – aber dann meldet der / die andere sich tagelang nicht?
Denkst du: „Irgendetwas hat ihm / ihr an mir nicht gefallen; ich bin eben doch nur zweite Wahl, und diese ganze Dating-Geschichte ist einfach nur mühsam.“
Oder: „Wir hatten eine tolle Zeit miteinander, und darauf kommt es an! Es zeigt mir, dass es da draußen Menschen gibt, die zu mir passen. Vielleicht hat es diesmal nicht zu hundert Prozent geklappt, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich dem / der Richtigen begegne!“
Selbstvertrauen bedeutet nicht, zu glauben, dass wir alles bereits können, wissen und schaffen.
Selbstvertrauen bedeutet, zu glauben, dass wir alles LERNEN UND ÜBEN können, was wir brauchen, um das zu tun, was wir tun wollen.
Selbstvertrauen bedeutet nicht, zu glauben, dass wir immer alles im Griff haben.
Selbstvertrauen bedeutet, zu glauben, dass wir Dinge Schritt für Schritt VERÄNDERN können.
Selbstvertrauen bedeutet nicht, keine Selbstzweifel zu haben.
Selbstvertrauen bedeutet, zu wissen, wie wir Selbstzweifel als Katalysator für den nächsten mutigen Schritt nutzen können, anstatt uns von ihnen ausbremsen zu lassen!
“Self-esteem isn’t everything; it’s just that there’s nothing without it.”
„Selbstwertgefühl ist nicht alles; aber ohne Selbstwertgefühl ist alles nichts.“
~ Gloria Steinem
Selbstzweifel transformieren in drei Schritten
Jaaa – auch die klügsten und erfolgreichsten Menschen haben Tage, an denen sie voller Selbstzweifel stecken. Du und ich, wir sind also in bester Gesellschaft – und dass auch wir Selbstzweifel haben, wird uns nicht davon abhalten, mutig voranzuschreiten und erfolgreich zu sein. Abgemacht?
Die Selbstzweifel selbst sind nicht das Problem.
Was wir mit ihnen machen – darauf kommt es an!
SCHRITT # 1: BEMERKEN, NICHT GLAUBEN
Wie so oft ist Bewusstheit der notwendige erste Schritt.
Wir haben unsere Zweifel-Gedanken so oft gedacht, dass wir sie unhinterfragt glauben. Aber damit ist jetzt Schluss.
Wann immer Selbstzweifel auftauchen, bemerkst du es, ohne zu werten. Du denkst einfach: „Aha, ein süßer kleiner Selbstzweifel zwischen meinen Ohren. Niedlich!“
Und machst dir bewusst, dass dieser niedliche Gedanke einfach nur das ist – ein Gedanke; ein Satz in deinem Kopf, ohne jede Substanz, ohne Wahrheitsgehalt.
SCHRITT # 2: AB AUF DEN BEIFAHRERSITZ!
Wenn wir es ihnen erlauben, reißen unsere Selbstzweifel ganz schnell das Lenkrad an sich – und sie lenken uns garantiert nicht dorthin, wo wir hinwollen!
Also: Selbstzweifel gehören auf die Rückbank, bestenfalls auf den Beifahrersitz.
Das bedeutet: DU übernimmst das Kommando!
Richte deine Aufmerksamkeit auf DEINE Ziele, darauf, was DU über dich denken WILLST, wer du sein möchtest in dieser Welt.
Das entzieht den Zweifelgedanken schon mal jede Menge Energie
SCHRITT #3: FRAG DOCH MAL …
Selbstzweifel wollen nicht aus dem Auto geworfen, sondern gesehen und gehört werden. Wenn sie ihre Botschaft erst mal losgeworden sind, sind sie meist nicht nur ganz zahm, sondern können sogar zum Turbo-Antrieb mutieren!
Also frag sie doch mal:
- Wovor wollt ihr mich schützen?
- Welche Fähigkeiten und Stärken wollt ihr in mir hervorkitzeln?
- Was braucht ihr, um euch sicher zu fühlen?
Am besten führst du dieses Interview schriftlich. Mit Stift und Papier in der Hand wirst du die erstaunlichsten Botschaften erhalten, versprochen!
Ganz oft versuchen unsere Selbstzweifel, uns vor dem Scheitern und den damit verbundenen schwierigen Gefühlen zu schützen. Aber weder das Risiko des Scheiterns noch schwierige Gefühle sind ein Grund, uns von unseren Träumen und tiefsten Sehnsüchten abbringen zu lassen.
SELBSTZWEIFEL SIND NICHT DAS PROBLEM.
SIE KÖNNEN ZUM KATALYSATOR FÜR UNSER SELBSTVERTRAUEN WERDEN, WENN WIR SIE TRANSFORMIEREN!
Die erleichternde Botschaft ist also:
Das Ziel ist nicht, keine Selbstzweifel mehr zu haben.
Das Ziel ist auch nicht, ständig an uns selbst zu glauben.
Das Ziel ist, unsere Ziele zu erreichen, OBWOHL wir zweifeln, und OBWOHL wir immer wieder scheitern, Rückschläge erleben und vorübergehend aufhören, an uns selbst und unsere Fähigkeiten zu glauben.
Wir können an Veränderung glauben. Wir können daran glauben, dass wir lernen und uns entwickeln können. Wir können unsere Selbstzweifel liebevoll umarmen, ohne ihnen das Steuerrad zu überlassen.
Du musst nicht daran glauben, dass du alles schaffen kannst.
Es genügt, zu glauben, dass du den nächsten Schritt setzen kannst, und dass alles, was daraus resultiert, genau das ist, was du brauchst, um den übernächsten Schritt zu tun.